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Verordnung (EU) 2014/806

Verordnung (EU) 2014/806

Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010

  • TEIL II: BESONDERE BESTIMMUNGEN
    • TITEL I: FUNKTIONEN INNERHALB DES EINHEITLICHEN ABWICKLUNGSMECHANISMUS UND VERFAHRENSVORSCHRIFTEN
      • KAPITEL 1: Abwicklungsplanung

Art. 10 Bewertung der Abwicklungsfähigkeit

(1) Bei der Erstellung und Aktualisierung der Abwicklungspläne gemäß Artikel 7 bewertet der Ausschuss nach Anhörung der zuständigen Behörden, einschließlich der EZB, und der Abwicklungsbehörden nicht teilnehmender Mitgliedstaaten, in denen sich bedeutende Zweigstellen befinden — soweit dies für die bedeutende Zweigstelle relevant ist —, inwieweit Institute und Gruppen abwicklungsfähig sind, wobei nicht von Folgendem ausgegangen werden darf:

a)
Gewährung einer außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln über die Inanspruchnahme des nach Artikel 67 geschaffenen Fonds hinaus,
b)
Notfallliquiditätshilfe der Zentralbank oder
c)
Liquiditätshilfe der Zentralbank im Rahmen einer nicht standardisierten Besicherung und nicht standardisierter Rückzahlungsmodalitäten und Zinsbedingungen.

(2) Die EZB oder die relevante nationale zuständige Behörde stellt dem Ausschuss einen Sanierungsplan oder Gruppensanierungsplan zur Verfügung. ²Der Ausschuss prüft den Sanierungsplan, um Maßnahmen in dem Sanierungsplan zu ermitteln, die sich nachteilig auf die Abwicklungsfähigkeit des Instituts oder der Gruppe auswirken können, und gibt der EZB oder der zuständigen nationalen Behörde diesbezüglich Empfehlungen.

(3) 

Bei der Erstellung von Abwicklungsplänen bewertet der Ausschuss, inwieweit ein solches Unternehmen gemäß dieser Verordnung abwicklungsfähig ist. ²Ein Unternehmen ist als abwicklungsfähig zu betrachten, wenn es aus Sicht des Ausschusses durchführbar und glaubwürdig ist, das Unternehmen im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens zu liquidieren oder esdurch Anwendung von Abwicklungsinstrumenten und die Ausübung von Abwicklungsbefugnissen abzuwickeln, und zwar bei möglichst weitgehender Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen — auch im Kontext einer allgemeinen finanziellen Instabilität oder systemweiter Ereignisse — auf die Finanzsysteme des Mitgliedstaats, in dem das Unternehmen niedergelassen ist, oder der anderen Mitgliedstaaten oder der Union und in dem Bestreben, die Fortführung bestimmter von dem Unternehmen ausgeübter kritischer Funktionen sicherzustellen.

Der Ausschuss informiert die EBA rechtzeitig, wenn er zu der Einschätzung gelangt, dass ein Institut nicht abwicklungsfähig ist.

(4) 

Eine Gruppe ist als abwicklungsfähig zu betrachten, wenn es aus Sicht des Ausschusses durchführbar und glaubwürdig ist, die Unternehmen der Gruppe im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens zu liquidieren oder sie durch Anwendung von Abwicklungsinstrumenten und die Ausübung von Abwicklungsbefugnissen in Bezug auf Unternehmen der Gruppe abzuwickeln, und zwar bei möglichst weitgehender Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen — auch im Kontext einer allgemeinen finanziellen Instabilität oder systemweiter Ereignisse — auf die Finanzsysteme der Mitgliedstaaten, in dem die Unternehmen der Gruppe niedergelassen sind, der anderen Mitgliedstaaten oder der Union, und in dem Bestreben, die Fortführung bestimmter von diesen Unternehmen der Gruppe ausgeübten kritischen Funktionen sicherzustellen, wenn sie leicht rechtzeitig ausgegliedert werden können oder durch andere Maßnahmen.

Der Ausschuss informiert die EBA rechtzeitig, wenn er zu der Einschätzung gelangt, dass eine Gruppe nicht abwicklungsfähig ist.

(5) Für die Zwecke der Absätze 3, 4 und 10 ist mit erheblichen negativen Auswirkungen auf das Finanzsystem und einer Bedrohung für die Finanzstabilität eine Situation gemeint, in der das Finanzsystem tatsächlich oder potenziell der Gefahr einer Störung ausgesetzt ist, welche zu einer Finanzkrise führen kann, die das ordnungsgemäße Funktionieren, die Effizienz und die Integrität des Binnenmarktes oder der Wirtschaft oder des Finanzsystems eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gefährden könnte. ²Bei der Feststellung der erheblichen negativen Auswirkungen berücksichtigt der Ausschuss die entsprechenden Warnungen und Empfehlungen des ESRB und die einschlägigen von der EBA aufgestellten Kriterien, die bei der Ermittlung und Messung des Systemrisikos anzulegen sind.

(6) Für die Zwecke der in diesem Artikel genannten Bewertung prüft der Ausschuss die in Abschnitt C des Anhangs der Richtlinie 2014/59/EU genannten Aspekte.

(7) Gelangt der Ausschuss nach einer gemäß Absatz 3 oder 4 durchgeführten Bewertung der Abwicklungsfähigkeit eines Unternehmens oder einer Gruppe nach Anhörung der zuständigen Behörden, einschließlich der EZB, zu der Feststellung, dass der Abwicklungsfähigkeit dieses Unternehmens oder dieser Gruppe wesentliche Hindernisse entgegenstehen, erstellt der Ausschuss in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden einen an das Institut oder das Mutterunternehmen gerichteten Bericht, in dem die wesentlichen Hindernisse für die effektive Anwendung von Abwicklungsinstrumenten und die Ausübung von Abwicklungsbefugnisse analysiert werden. ²In dem Bericht werden die Auswirkungen auf das Geschäftsmodell des Instituts beurteilt und Empfehlungen für angemessene und zielgerichtete Maßnahmen formuliert, die nach Auffassung des Ausschusses erforderlich oder geeignet sind, um diese Hindernisse gemäß Absatz 10 zu beseitigen.

(8) Der Bericht wird auch den zuständigen Behörden und den Abwicklungsbehörden nicht teilnehmender Mitgliedstaaten übermittelt, in denen sich bedeutende Zweigstellen von Instituten, die nicht Teil einer Gruppe sind, befinden. ²Er muss die Gründe enthalten, die zu der Bewertung bzw. Feststellung geführt haben, und darlegen, inwiefern die Bewertung bzw. Feststellung dem in Artikel 6 niedergelegten Gebot der Verhältnismäßigkeit genügt.

(9) Innerhalb von vier Monaten nach Eingang des Berichts schlägt das Unternehmen oder das Mutterunternehmen dem Ausschuss mögliche Maßnahmen vor, mit denen die im Bericht aufgezeigten wesentlichen Hindernisse abgebaut bzw. beseitigt werden können. ²Der Ausschuss unterrichtet die zuständigen Behörden, die EBA und, wenn bedeutende Zweigstellen von Instituten, die nicht Teil einer Gruppe sind, in nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten ansässig sind, die Abwicklungsbehörden dieser Mitgliedstaaten über jede von dem Unternehmen oder Mutterunternehmen vorgeschlagene Maßnahme.

(10) 

Der Ausschuss bewertet nach Anhörung der zuständigen Behörden, ob die in Absatz 9 genannten Maßnahmen geeignet sind, die in Frage stehenden wesentlichen Hindernisse effektiv abzubauen bzw. zu beseitigen. ²Werden die Hindernisse für die Abwicklungsfähigkeit durch die von dem Unternehmen oder Mutterunternehmen vorgeschlagenen Maßnahmen nicht wirkungsvoll abgebaut bzw. beseitigt, fasst der Ausschuss nach Anhörung der zuständigen Behörden sowie gegebenenfalls der für die Makroaufsicht benannten Behörde einen Beschluss, in dem er feststellt, dass die Hindernisse für die Abwicklungsfähigkeit durch die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht wirkungsvoll abgebaut bzw. beseitigt werden, und die nationalen Abwicklungsbehörden anweist, das Institut, das Mutterunternehmen oder ein Tochterunternehmen der betroffenen Gruppe zur Einleitung einer der in Absatz 11 aufgeführten Maßnahmen zu verpflichten.

³Bei der Ermittlung alternativer Maßnahmen weist der Ausschuss nach, inwiefern die von dem Institut vorgeschlagenen Maßnahmen die Hindernisse für die Abwicklungsfähigkeit nicht ausräumen konnten und inwiefern die vorgeschlagenen alternativen Maßnahmen im Hinblick auf die Ausräumung der Hindernisse für die Abwicklungsfähigkeit verhältnismäßig sind. Der Ausschuss berücksichtigt die Bedrohung der Finanzstabilität durch diese Hindernisse für die Abwicklungsfähigkeit und die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Geschäftstätigkeit des Instituts, seine Stabilität und seine Fähigkeit, einen Beitrag zur Wirtschaft zu leisten, auf den Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen sowie auf die Finanzstabilität in anderen Mitgliedstaaten und in der Union insgesamt.

Der Ausschuss berücksichtigt auch die Notwendigkeit, alle Auswirkungen auf das Institut oder die Gruppe abzuwenden, die über das zur Ausräumung der Hindernisse für die Abwicklungsfähigkeit notwendige Maß hinausgehen würden oder unverhältnismäßig wären.

(11) 

Für die Zwecke des Absatzes 10 weist der Ausschuss, soweit anwendbar, die nationalen Abwicklungsbehörden an, eine der folgenden Maßnahmen zu ergreifen:

a)
von dem Unternehmen zu verlangen, innerhalb der Gruppe bestehende Finanzierungsvereinbarungen zu ändern oder deren Fehlen zu überdenken oder Dienstleistungsvereinbarungen (innerhalb der Gruppe oder mit Dritten) über die Bereitstellung kritischer Funktionen zu schließen;
b)
von dem Unternehmen zu verlangen, seine maximalen individuellen und aggregierten Risikopositionen zu begrenzen;
c)
besondere oder regelmäßige zusätzliche für Abwicklungszwecke relevante Informationspflichten vorzusehen;
d)
von dem Unternehmen die Veräußerung bestimmter Vermögenswerte zu verlangen;
e)
von dem Unternehmen zu verlangen, bestimmte bestehende oder geplante Tätigkeiten einzuschränken oder einzustellen;
f)
die Entwicklung neuer oder bestehender Geschäftsbereiche bzw. die Veräußerung neuer oder bestehender Produkte einzuschränken oder zu unterbinden;
g)
Änderungen der rechtlichen oder operativen Strukturen des Unternehmens oder eines unmittelbar oder mittelbar ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmens der Gruppe zu verlangen, um die Komplexität zu reduzieren und dadurch sicherzustellen, dass kritische Funktionen durch Anwendung der Abwicklungsinstrumente rechtlich und operativ von anderen Funktionen getrennt werden können;
h)
von einem Unternehmen zu verlangen, eine Mutterfinanzholdinggesellschaft in einem Mitgliedstaat oder eine Unionsmutterfinanzholdinggesellschaft zu gründen;
i)
von einem Unternehmen zu verlangen, berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten zu begeben, um die Anforderungen des Artikels 12 zu erfüllen;
j)
von einem Unternehmen zu verlangen, andere Schritte zu unternehmen, um die Anforderungen nach Artikel 12 zu erfüllen, und in diesem Zuge insbesondere eine Neuaushandlung von berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten, von Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals oder von Instrumenten des Ergänzungskapitals, die es ausgegeben hat, anzustreben, um dafür zu sorgen, dass Entscheidungen des Ausschusses, die jeweilige Verbindlichkeit oder das jeweilige Instrument herabzuschreiben oder umzuwandeln, nach dem Recht des Rechtsgebiets durchgeführt werden, das für die Verbindlichkeit oder das Instrument maßgeblich ist.

Soweit anwendbar, ergreifen die nationalen Abwicklungsbehörden die in Unterabsatz 1 Buchstaben a bis j genannten Maßnahmen unmittelbar.

(12) Die nationalen Abwicklungsbehörden setzen die Weisungen des Ausschusses gemäß Artikel 29 um.

(13) Ein Beschluss gemäß Absatz 10 oder Absatz 11 muss folgende Anforderungen erfüllen:

a)
Er muss Gründe für die jeweilige Bewertung bzw. Feststellung enthalten.
b)
In ihm muss dargelegt werden, dass die Bewertung bzw. Feststellung dem Gebot der Verhältnismäßigkeit gemäß Absatz 10 genügt.