freiRecht
Energieeffizienzrichtlinie

Energieeffizienzrichtlinie

Richtlinie 2012/27/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Energieeffizienz, zur Änderung der Richtlinien 2009/125/EG und 2010/30/EU und zur Aufhebung der Richtlinien 2004/8/EG und 2006/32/EG

ANHANG IX

ANHANG IX

KOSTEN-NUTZEN-ANALYSE

Teil 1

Allgemeine Grundsätze der Kosten-Nutzen-Analyse

Die Durchführung von Kosten-Nutzen-Analysen in Zusammenhang mit Maßnahmen zur Förderung von Effizienz bei der Wärme- und Kälteversorgung gemäß Artikel 14 Absatz 3 dient der Schaffung einer Entscheidungsgrundlage für die qualifizierte Prioritätensetzung auf gesellschaftlicher Ebene im Hinblick auf begrenzte Ressourcen.

Die Kosten-Nutzen-Analyse erstreckt sich entweder auf eine Bewertung eines Projekts oder einer Gruppe von Projekten im Hinblick auf eine umfassendere lokale, regionale oder nationale Bewertung zur Festlegung der kostenwirksamsten und zweckmäßigsten Wärme- oder Kälteversorgungsoption für ein bestimmtes geografisches Gebiet zum Zwecke der Wärmeplanung.

Die Kosten-Nutzen-Analyse zum Zwecke von Artikel 14 Absatz 3 beinhaltet eine wirtschaftliche Analyse unter Berücksichtigung sozioökonomischer und ökologischer Faktoren.

Die Kosten-Nutzen-Analysen beinhalten folgende Schritte und Erwägungen:

a)
Festlegung einer Systemgrenze und einer geografischen Grenze

Der Rahmen der betreffenden Kosten-Nutzen-Analyse bestimmt das relevante Energiesystem. Die geografische Grenze bezieht sich auf ein geeignetes, genau definiertes geografisches Gebiet, beispielsweise eine bestimmte Region oder ein Ballungsgebiet, um zu vermeiden, dass einzelprojektbezogen suboptimale Lösungen ausgewählt werden.

b)
Integrierter Ansatz für die Bedarfs- und Angebotsoptionen

Die Kosten-Nutzen-Analyse berücksichtigt alle vorhandenen Daten über die relevanten Versorgungsressourcen, die innerhalb der Systemgrenzen und der geografischen Grenze verfügbar sind — einschließlich der Abwärme aus Kraftwerken, Industrieanlagen und erneuerbaren Quellen —, sowie die Merkmale und Trends beim Wärme- und Kältebedarf.

c)
Aufstellung eines Ausgangsszenarios

Das Ausgangsszenario dient als Referenz für die Bewertung alternativer Szenarien.

d)
Bestimmung alternativer Szenarien

Alle relevanten Alternativen zum Ausgangsszenario werden in Betracht gezogen. Szenarien, die aus technischen oder finanziellen Gründen, aufgrund einzelstaatlicher Rechtsvorschriften oder aus Zeitgründen nicht durchführbar sind, können in einer frühen Phase der Kosten-Nutzen-Analyse ausgeschlossen werden, falls sorgfältige, ausdrücklich benannte und ausführlich dokumentierte Überlegungen dies rechtfertigen.

Ausschließlich die hocheffiziente KWK, die effiziente Fernwärme- und Fernkälteversorgung oder effiziente individuelle Wärme- bzw. Kälteversorgungsoptionen sollten in der Kosten-Nutzen-Analyse als Alternativen zum Ausgangsszenario berücksichtigt werden.

e)
Methode zur Berechnung des Kosten-Nutzen-Ergebnisses
i)
Die gesamten langfristigen Kosten und der gesamte langfristige Nutzen von Wärme- bzw. Kälteversorgungsoptionen werden ermittelt und einander gegenübergestellt.
ii)
Bewertungskriterium ist der Kapitalwert (Net Present Value).
iii)
Der zeitliche Rahmen wird so gewählt, dass alle relevanten Kosten- und Nutzenpositionen des Szenarios erfasst werden. Beispielsweise könnte ein angemessener zeitlicher Rahmen bei einem Gaskraftwerk 25 Jahre betragen, bei einem Fernwärmesystem 30 Jahre oder bei Heizgeräten wie Kesselanlagen 20 Jahre.
f)
Preisberechnung und Preisvorhersagen sowie andere Annahmen für die wirtschaftliche Analyse
i)
Für die Zwecke der Kosten-Nutzen-Analysen treffen die Mitgliedstaaten Annahmen zu den Preisen wichtiger Input- und Output-Faktoren und zum Abzinsungssatz.
ii)
Der bei der wirtschaftlichen Analyse zur Berechnung des Kapitalwerts verwendete Abzinsungssatz wird gemäß den europäischen oder nationalen Leitlinien ausgewählt .
iii)
Die Mitgliedstaaten nutzen Prognosen für die nationalen, europäischen oder internationalen Energiepreisentwicklungen, falls dies in ihrem nationalen und/oder regionalen/lokalen Kontext zweckmäßig ist.
iv)
Die in der wirtschaftlichen Analyse verwendeten Preise müssen die wahren sozioökonomischen Kosten und Vorteile widerspiegeln und sollten externe Kosten — beispielsweise Umwelt- und Gesundheitsfolgen — soweit möglich einbeziehen, d. h., wenn es dafür Marktpreise gibt oder dies bereits in europäischen oder nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist.
g)
Wirtschaftliche Analyse: Bestandsaufnahme der Auswirkungen

Bei der wirtschaftlichen Analyse sind alle relevanten wirtschaftlichen Auswirkungen zu berücksichtigen.

Die Mitgliedstaaten können die Kosten und Energieeinsparungen, die sich aus der erhöhten Flexibilität bei der Energieversorgung und aus einem optimierten Betrieb der Elektrizitätsnetze in den analysierten Szenarien ergeben, bewerten und bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen, darunter auch vermiedene Kosten und Einsparungen durch geringere Infrastrukturinvestitionen.

Bei Kosten und Nutzen ist zumindest Folgendes zu berücksichtigen:

i)
Nutzen
Nutzwert für den Verbraucher (Wärme und Elektrizität),
soweit möglich externer Nutzen, beispielsweise Nutzen für Umwelt und Gesundheit;
ii)
Kosten
Kapitalkosten von Anlagen und Ausrüstungen,
Kapitalkosten der dazugehörigen Energienetze,
variable und feste Betriebskosten,
Energiekosten,
soweit möglich Umwelt- und Gesundheitskosten.
h)
Sensitivitätsanalyse:

Es wird eine Sensitivitätsanalyse einbezogen, um Kosten und Nutzen eines Projekts oder einer Gruppe von Projekten auf der Grundlage unterschiedlicher Energiepreise, Diskontsätze und sonstiger variabler Faktoren, die sich erheblich auf das Ergebnis der Berechnungen auswirken, zu bewerten.

Die Mitgliedstaaten benennen die zuständige Behörde, die für die Durchführung der Kosten-Nutzen-Analysen nach Artikel 14 verantwortlich ist. Die Mitgliedstaaten können von zuständigen lokalen, regionalen oder nationalen Behörden oder Betreibern einzelner Anlagen verlangen, die wirtschaftliche und finanzielle Analyse durchzuführen. Sie geben die detaillierten Methoden und Annahmen nach diesem Anhang vor, stellen die Verfahren für die wirtschaftliche Analyse auf und machen diese öffentlich bekannt.

Teil 2

Grundsätze für die Zwecke von Artikel 14 Absätze 5 und 7

Die Kosten-Nutzen-Analysen liefern Informationen für die in Artikel 14 Absätze 5 und 7 genannten Maßnahmen:

Wird die Errichtung einer reinen Stromerzeugungsanlage oder einer Anlage ohne Wärmerückgewinnung geplant, so wird die geplante Anlage oder die geplante Modernisierung mit einer gleichwertigen Anlage verglichen, bei der dieselbe Menge an Strom oder an Prozesswärme erzeugt, jedoch Abwärme rückgeführt und Wärme mittels hocheffizienter KWK und/oder Fernwärme- und Fernkältenetze abgegeben wird.

Bei der Bewertung werden innerhalb festgelegter geografischer Grenzen die geplante Anlage und etwaige geeignete bestehende oder potenzielle Wärmebedarfspunkte, die über die Anlage versorgt werden könnten, berücksichtigt, wobei den praktischen Möglichkeiten (z. B. technische Machbarkeit und Entfernung) Rechnung zu tragen ist.

Die Systemgrenze wird so festgelegt, dass sie die geplante Anlage und die Wärmelasten umfasst, beispielsweise Gebäude und Industrieprozesse. Innerhalb dieser Systemgrenze sind die Gesamtkosten für die Bereitstellung von Wärme und Strom für beide Fälle zu ermitteln und zu vergleichen.

Die Wärmelasten umfassen bestehende Wärmelasten wie Industrieanlagen oder vorhandene Fernwärmesysteme sowie — in städtischen Gebieten — die Wärmelasten und -kosten, die bestehen würden, wenn eine Gebäudegruppe oder ein Stadtteil ein neues Fernwärmenetz erhielte und/oder an ein solches angeschlossen würde.

Die Kosten-Nutzen-Analyse stützt sich auf eine Beschreibung der geplanten Anlage und der Vergleichsanlage(n); diese umfasst — gegebenenfalls — die elektrische und thermische Kapazität, den Brennstofftyp, die geplante Verwendung und die geplante Anzahl der Betriebsstunden pro Jahr, den Standort und den Bedarf an Strom und Wärme.

Für die Zwecke des Vergleichs werden der Wärmeenergiebedarf und die Arten der Wärme- und Kälteversorgung, die von den nahe gelegenen Wärmebedarfspunkten genutzt werden, berücksichtigt. In den Vergleich fließen die infrastrukturbezogenen Kosten der geplanten Anlage und der Vergleichsanlage ein.

Die Kosten-Nutzen-Analyse zum Zwecke von Artikel 14 Absatz 5 beinhaltet eine wirtschaftliche Analyse unter Berücksichtigung einer Finanzanalyse, die Aufschluss über die tatsächlichen Cashflow-Transaktionen gibt, die sich aus Investitionen in einzelne Anlagen und deren Betrieb ergeben.

Ein positives Ergebnis der Kosten-Nutzen-Analyse eines Projekts liegt vor, wenn in der wirtschaftlichen Analyse und in der Finanzanalyse der abgezinste Gesamtnutzen die abgezinsten Gesamtkosten übersteigt (positives Kosten-Nutzen-Ergebnis).

Die Mitgliedstaaten legen Leitgrundsätze für die Methodik, die Annahmen und den zeitlichen Rahmen der wirtschaftlichen Analyse fest.

Die Mitgliedstaaten können von den Unternehmen, die für den Betrieb von thermischen Stromerzeugungsanlagen, Industrieanlagen sowie Fernwärme- und Fernkältenetzen zuständig sind, oder von anderen Parteien, auf die sich die festgelegte Systemgrenze und geografische Grenze auswirkt, Angaben verlangen, die zur Bewertung von Kosten und Nutzen einzelner Anlagen verwendet werden.