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Asylverfahrensrichtlinie

Asylverfahrensrichtlinie

Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes

  • KAPITEL III: ERSTINSTANZLICHE VERFAHREN
    • ABSCHNITT I: VERFAHREN ZUR ABERKENNUNG DES INTERNATIONALEN SCHUTZES

Art. 31 Prüfungsverfahren

(1) Die Mitgliedstaaten bearbeiten Anträge auf internationalen Schutz im Rahmen eines Prüfungsverfahrens unter Beachtung der Grundsätze und Garantien in Kapitel II.

(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Prüfungsverfahren unbeschadet einer angemessenen und vollständigen Prüfung so rasch wie möglich zum Abschluss gebracht wird.

(3) 

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Prüfungsverfahren innerhalb von sechs Monaten nach förmlicher Antragstellung zum Abschluss gebracht wird.

Ist ein Antrag gemäß dem Verfahren nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zu behandeln, so beginnt die Sechsmonatsfrist, sobald der für die Prüfung zuständige Mitgliedstaat gemäß jener Verordnung bestimmt ist, sich der Antragsteller im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befindet und er von der zuständigen Behörde betreut wird.

Die Mitgliedstaaten können die in dem vorliegenden Absatz festgelegte Sechsmonatsfrist um höchstens neun weitere Monate verlängern, wenn

a)
sich in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht komplexe Fragen ergeben;
b)
eine große Anzahl von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gleichzeitig internationalen Schutz beantragt, so dass es in der Praxis sehr schwierig ist, das Verfahren innerhalb der Frist von sechs Monaten abzuschließen;
c)
die Verzögerung eindeutig darauf zurückzuführen ist, dass der Antragsteller seinen Pflichten nach Artikel 13 nicht nachgekommen ist.

Ausnahmsweise können die Mitgliedstaaten die Fristen gemäß diesem Absatz in ausreichend begründeten Fällen um höchstens drei Monate überschreiten, wenn dies erforderlich ist, um eine angemessene und vollständige Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zu gewährleisten.

(4) Die Mitgliedstaaten können unbeschadet der Artikel 13 und 18 der Richtlinie 2011/95/EU den Abschluss des Prüfungsverfahrens aufschieben, wenn von der Asylbehörde aufgrund einer aller Voraussicht nach vorübergehenden ungewissen Lage im Herkunftsstaat vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, innerhalb der in Absatz 3 festgelegten Fristen zu entscheiden. In einem solchen Fall gehen die Mitgliedstaaten wie folgt vor:

a)
Sie überprüfen mindestens alle sechs Monate die Lage in diesem Herkunftsstaat;
b)
sie unterrichten die betroffenen Antragsteller innerhalb einer angemessenen Frist über die Gründe der Verschiebung;
c)
sie unterrichten die Kommission innerhalb einer angemessenen Frist über die Verschiebung der Verfahren für diesen Herkunftsstaat.

(5) Die Mitgliedstaaten schließen das Prüfungsverfahren in jedem Fall innerhalb einer maximalen Frist von 21 Monaten nach der förmlichen Antragstellung ab.

(6) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der betreffende Antragsteller für den Fall, dass innerhalb von sechs Monaten keine Entscheidung ergehen kann,

a)
über die Verzögerung informiert wird und
b)
auf sein Ersuchen hin über die Gründe für die Verzögerung und über den zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen mit einer Entscheidung über seinen Antrag zu rechnen ist, unterrichtet wird.

(7) Die Mitgliedstaaten können die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II vorziehen, insbesondere,

a)
wenn der Antrag begründet erscheint,
b)
wenn der Antragsteller schutzbedürftig im Sinne von Artikel 22 der Richtlinie 2013/33/EU ist oder besondere Verfahrensgarantien benötigt; dies gilt insbesondere für unbegleitete Minderjährige.

(8) Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass das Prüfungsverfahren im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II beschleunigt und/oder an der Grenze oder in Transitzonen nach Maßgabe von Artikel 43 durchgeführt wird, wenn

a)
der Antragsteller bei der Einreichung seines Antrags und der Darlegung der Tatsachen nur Umstände vorgebracht hat, die für die Prüfung der Frage, ob er als Flüchtling oder Person mit Anspruch auf internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU anzuerkennen ist, nicht von Belang sind, oder
b)
der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne dieser Richtlinie kommt, oder
c)
der Antragsteller die Behörden durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität und/oder Staatsangehörigkeit, die sich negativ auf die Entscheidung hätten auswirken können, getäuscht hat, oder
d)
angenommen werden kann, dass der Antragsteller ein Identitäts- oder ein Reisedokument, das die Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet oder beseitigt hat, oder
e)
der Antragsteller eindeutig unstimmige und widersprüchliche, eindeutig falsche oder offensichtlich unwahrscheinliche Angaben gemacht hat, die im Widerspruch zu hinreichend gesicherten Herkunftslandinformationen stehen, so dass die Begründung für seine Behauptung, dass er Person mit Anspruch auf internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU anzusehen ist, offensichtlich nicht überzeugend ist;
f)
der Antragsteller einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der gemäß Artikel 40 Absatz 5 nicht unzulässig ist, oder
g)
der Antragsteller den Antrag nur zur Verzögerung oder Behinderung der Vollstreckung einer bereits getroffenen oder unmittelbar bevorstehenden Entscheidung stellt, die zu seiner Abschiebung führen würde, oder
h)
der Antragsteller unrechtmäßig in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats eingereist ist oder seinen Aufenthalt unrechtmäßig verlängert hat und es ohne stichhaltigen Grund versäumt hat, zum angesichts der Umstände seiner Einreise frühestmöglichen Zeitpunkt bei den Behörden vorstellig zu werden oder einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, oder
i)
der Antragsteller sich weigert, der Verpflichtung zur Abnahme seiner Fingerabdrücke gemäß der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über die Einrichtung von „Eurodac“ für den Abgleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, und für der Strafverfolgung dienende Anträge der Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Daten in Eurodac nachzukommen, oder
j)
es schwerwiegende Gründe für die Annahme gibt, dass der Antragsteller eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung des Mitgliedstaats darstellt oder er aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung nach nationalem Recht zwangsausgewiesen wurde.

(9) 

Die Mitgliedstaaten legen für den Erlass von Entscheidungen in einem erstinstanzlichen Verfahren gemäß Absatz 8 Fristen fest. ²Diese Fristen müssen angemessen sein.

Die Mitgliedstaaten können diese Fristen unbeschadet der Absätze 3 bis 5 überschreiten, wenn dies erforderlich ist, um eine angemessene und vollständige Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zu gewährleisten.