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Asylverfahrensrichtlinie

Asylverfahrensrichtlinie

Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes

  • KAPITEL II: GRUNDSÄTZE UND GARANTIEN

Art. 25 Garantien für unbegleitete Minderjährige

(1) 

Bei allen Verfahren nach Maßgabe dieser Richtlinie und unbeschadet der Bestimmungen der Artikel 14 bis 17

a)
ergreifen die Mitgliedstaaten so bald wie möglich Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass ein Vertreter den unbegleiteten Minderjährigen vertritt und unterstützt, damit dieser die Rechte aus dieser Richtlinie in Anspruch nehmen und den sich aus dieser Richtlinie ergebenden Pflichten nachkommen kann. ²Der unbegleitete Minderjährige wird unverzüglich über die Bestellung des Vertreters unterrichtet. ³Der Vertreter nimmt seine Aufgaben im Interesse des Kindeswohls wahr und verfügt hierfür über die erforderliche Fachkenntnis. Die als Vertreter bestellte Person wird nur ausgewechselt, wenn dies notwendig ist. Organisationen oder Personen, deren Interessen mit den Interessen des unbegleiteten Minderjährigen in Konflikt stehen oder stehen könnten, kommen als Vertreter nicht in Frage. Bei dem Vertreter kann es sich auch um einen Vertreter im Sinne der Richtlinie 2013/33/EU handeln;
b)
stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Vertreter Gelegenheit erhält, den unbegleiteten Minderjährigen über die Bedeutung und die möglichen Konsequenzen seiner persönlichen Anhörung sowie gegebenenfalls darüber aufzuklären, wie er sich auf seine persönliche Anhörung vorbereiten kann. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Vertreter und/oder ein Rechtsanwalt oder ein sonstiger nach nationalem Recht zugelassener oder zulässiger Rechtsberater bei dieser Anhörung anwesend ist und innerhalb des von der anhörenden Person festgelegten Rahmens Gelegenheit erhält, Fragen zu stellen und Bemerkungen vorzubringen.

Die Mitgliedstaaten können verlangen, dass der unbegleitete Minderjährige auch dann bei der persönlichen Anhörung anwesend ist, wenn der Vertreter zugegen ist.

(2) Die Mitgliedstaaten können davon absehen, einen Vertreter zu bestellen, wenn der unbegleitete Minderjährige aller Wahrscheinlichkeit nach vor der erstinstanzlichen Entscheidung das 18. Lebensjahr vollenden wird.

(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass

a)
die persönliche Anhörung eines unbegleiteten Minderjährigen zu seinem Antrag auf internationalen Schutz nach den Artikeln 14 bis 17 und 34 von einer Person durchgeführt wird, die mit den besonderen Bedürfnissen Minderjähriger vertraut ist;
b)
die Entscheidung der Asylbehörde über einen Antrag eines unbegleiteten Minderjährigen von einem Bediensteten vorbereitet wird, der mit den besonderen Bedürfnissen Minderjähriger vertraut ist.

(4) Unbegleitete Minderjährige und deren Vertreter erhalten auch für Verfahren zur Aberkennung des internationalen Schutzes nach Kapitel IV unentgeltliche Rechts- und verfahrenstechnische Auskünfte gemäß Artikel 19.

(5) 

Die Mitgliedstaaten können im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz ärztliche Untersuchungen zur Bestimmung des Alters unbegleiteter Minderjähriger durchführen lassen, wenn aufgrund allgemeiner Aussagen oder anderer einschlägiger Hinweise Zweifel bezüglich des Alters des Antragstellers bestehen. ²Bestehen diese Zweifel bezüglich des Alters des Antragstellers danach fort, so gehen die Mitgliedstaaten davon aus, dass der Antragsteller minderjährig ist.

Die ärztliche Untersuchung wird unter uneingeschränkter Achtung der Würde der Person und mit den schonendsten Methoden von qualifizierten medizinischen Fachkräften, die so weit wie möglich ein zuverlässiges Ergebnis gewährleisten, durchgeführt.

Bei ärztlichen Untersuchungen stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass

a)
unbegleitete Minderjährige vor der Prüfung ihres Antrags auf internationalen Schutz in einer Sprache, die sie verstehen oder von der vernünftigerweise angenommen werden darf, dass sie sie verstehen, über die Möglichkeit der Altersbestimmung im Wege einer ärztlichen Untersuchung informiert werden. Diese Information umfasst eine Aufklärung über die Untersuchungsmethode, über die möglichen Folgen des Untersuchungsergebnisses für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz sowie über die Folgen der Weigerung des unbegleiteten Minderjährigen, sich der ärztlichen Untersuchung zu unterziehen;
b)
unbegleitete Minderjährige und/oder deren Vertreter in die Durchführung einer ärztlichen Untersuchung zur Altersbestimmung der betroffenen Minderjährigen einwilligen und
c)
die Entscheidung, den Antrag auf internationalen Schutz eines unbegleiteten Minderjährigen abzulehnen, der eine ärztliche Untersuchung verweigert hat, nicht ausschließlich in dieser Weigerung begründet ist.

Die Tatsache, dass ein unbegleiteter Minderjähriger eine ärztliche Untersuchung verweigert hat, hindert die Asylbehörde nicht daran, über den Antrag auf internationalen Schutz zu entscheiden.

(6) 

Bei der Umsetzung dieser Richtlinie berücksichtigen die Mitgliedstaaten vorrangig das Kindeswohl.

Stellen die Mitgliedstaaten im Laufe des Asylverfahrens fest, dass eine Person ein unbegleiteter Minderjähriger ist, so können sie

a)
Artikel 31 Absatz 8 nur anwenden oder weiter anwenden, wenn
i)der Antragsteller aus einem Staat kommt, der die Kriterien für die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat im Sinne dieser Richtlinie erfüllt oder
ii)der Antragsteller einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der gemäß Artikel 40 Absatz 5 nicht unzulässig ist, oder
iii)es schwerwiegende Gründe für die Annahme gibt, dass der Antragsteller eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung darstellt oder er aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung nach nationalem Recht zwangsausgewiesen wurde;
b)
Artikel 43 gemäß den Artikeln 8 bis 11 der Richtlinie 2013/33/EU nur anwenden oder weiter anwenden, wenn
i)der Antragsteller aus einem Staat kommt, der die Kriterien für die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat im Sinne dieser Richtlinie erfüllt,
ii)der Antragsteller einen Folgeantrag gestellt hat,
iii)es schwerwiegende Gründe für die Annahme gibt, dass der Antragsteller eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung darstellt oder er aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung nach nationalem Recht zwangsausgewiesen wurde,
iv)berechtigte Gründe zu der Annahme vorliegen, dass ein Staat, der kein Mitgliedstaat ist, für den Antragsteller ein sicherer Drittstaat gemäß Artikel 38 ist,
v)der Antragsteller die Behörden irregeführt hat, indem er gefälschte oder verfälschte Dokumente vorgelegt hat, oder
vi)der Antragsteller ein Identitäts- oder ein Reisedokument, das die Feststellung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit ermöglicht hätte, mutwillig vernichtet oder beseitigt hat.
Die Mitgliedstaaten dürfen die Ziffern v und vi nur in Einzelfällen anwenden, wenn schwerwiegende Gründe zu der Annahme vorliegen, dass der Antragsteller versucht, wesentliche Umstände, die voraussichtlich zu einer ablehnenden Entscheidung führen würden, zu verheimlichen und wenn der Antragsteller unter Berücksichtigung der besonderen Verfahrensbedürfnisse unbegleiteter Minderjähriger umfassend Gelegenheit hatte, die Handlungen gemäß den Ziffern v und vi zu rechtfertigen und sich dafür auch mit seinem Vertreter zu beraten;
c)
den Antrag gemäß Artikel 33 Absatz 2 Buchstabe c als unzulässig betrachten, wenn ein Staat, der kein Mitgliedstaat ist, für den Antragsteller als sicherer Drittstaat gemäß Artikel 38 gilt, sofern dies dem Kindeswohl dient;
d)
das Verfahren gemäß Artikel 20 Absatz 3 anwenden, wenn der Vertreter des Minderjährigen nach nationalem Recht über eine juristische Qualifikation verfügt.

Die Mitgliedstaaten gewähren unbeschadet des Artikels 41 bei der Anwendung des Artikels 46 Absatz 6 auf unbegleitete Minderjährige in allen Fällen zumindest die Garantien, die in Artikel 46 Absatz 7 festgelegt sind.