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Richtlinie (EG) 2009/138

Richtlinie (EG) 2009/138

Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II)

  • TITEL I: ALLGEMEINE VORSCHRIFTEN FÜR DIE AUFNAHME UND DIE AUSÜBUNG DER TÄTIGKEITEN DER DIREKTVERSICHERUNG UND DER RÜCKVERSICHERUNG
    • KAPITEL I: Gegenstand, anwendungsbereich und begriffsbestimmungen
      • Abschnitt 3: Begriffsbestimmungen

Art. 13 Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1.
„Versicherungsunternehmen“ ein direktes Lebensversicherungs- oder Nichtlebensversicherungsunternehmen, das eine Zulassung gemäß Artikel 14 erhalten hat;
2.
„firmeneigenes Versicherungsunternehmen“ ein Versicherungsunternehmen, das entweder einem Finanzunternehmen, bei dem es sich weder um ein Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen noch um eine Gruppe von Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen im Sinne von Artikel 212 Absatz 1 Buchstabe c handelt, oder einem nicht der Finanzbranche angehörenden Unternehmen gehört und das ausschließlich Risiken des Unternehmens oder der Unternehmen, dem bzw. denen es gehört, oder eines oder mehrerer Unternehmen der Gruppe, der es angehört, versichert;
3.
„Drittland-Versicherungsunternehmen“ ein Unternehmen, das gemäß Artikel 14 eine Zulassung als Versicherungsunternehmen benötigen würde, wenn sich sein Sitz in der Gemeinschaft befände;
4.
„Rückversicherungsunternehmen“ ein Unternehmen, das gemäß Artikel 14 eine Zulassung zur Ausführung von Rückversicherungstätigkeiten besitzt;
5.
„firmeneigenes Rückversicherungsunternehmen“ ein Rückversicherungsunternehmen, das entweder einem Finanzunternehmen, bei dem es sich weder um ein Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen noch um eine Gruppe von Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen im Sinne von Artikel 212 Absatz 1 Buchstabe c handelt, oder einem nicht der Finanzbranche angehörenden Unternehmen gehört und das ausschließlich Risiken des Unternehmens oder der Unternehmen, dem bzw. denen es gehört, oder Risiken eines oder mehrer Unternehmen der Gruppe, der es angehört, rückversichert;
6.
„Drittland-Rückversicherungsunternehmen“ ein Unternehmen, das gemäß Artikel 14 eine Zulassung als Rückversicherungsunternehmen benötigen würde, wenn sich sein Sitz in der Gemeinschaft befände;
7.
„Rückversicherung“ eine der folgenden Tätigkeiten:
a)
die Tätigkeit der Übernahme von Risiken, die von einem Versicherungsunternehmen oder einem Drittland-Versicherungsunternehmen oder einem anderen Rückversicherungsunternehmen oder Drittland-Rückversicherungsunternehmen abgegeben werden;
b)
im Falle der als Lloyd's bezeichneten Vereinigung von Versicherungssyndikaten die Tätigkeit der Übernahme von Risiken, die von einem Mitglied von Lloyd's abgetreten werden, durch ein nicht der als Lloyd's bezeichneten Vereinigung von Versicherungssyndikaten angehörendes Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen;
c)
die Bereitstellung von Versicherungsschutz durch ein Rückversicherungsunternehmen für eine Einrichtung, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2016/2341 des Europäischen Parlaments und des Rates  fällt;
8.
„Herkunftsmitgliedstaat“ den folgenden Mitgliedstaat
a)
im Falle der Nichtlebensversicherung den Mitgliedstaat, in welchem sich der Gesellschaftssitz des Versicherungsunternehmens befindet, das das Risiko deckt;
b)
im Falle der Lebensversicherung den Mitgliedstaat, in welchem sich der Gesellschaftssitz des Versicherungsunternehmens befindet, das die Verpflichtung eingeht; oder
c)
im Falle der Rückversicherung den Mitgliedstaat, in dem sich der Gesellschaftssitz des Rückversicherungsunternehmens befindet;
9.
„Aufnahmemitgliedstaat“ den Mitgliedstaat, bei dem es sich nicht um den Herkunftsmitgliedstaat handelt, in dem ein Versicherungsunternehmen oder ein Rückversicherungsunternehmen eine Zweigniederlassung unterhält oder Dienstleistungen erbringt; im Falle der Lebens- und Nichtlebensversicherung bezeichnet der Mitgliedstaat der Dienstleistung den Mitgliedstaat der Verpflichtung bzw. den Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, wenn die Verpflichtung oder das Risiko durch ein Versicherungsunternehmen oder eine Zweigniederlassung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat abgedeckt wird;
10.
„Aufsichtsbehörde“ diejenige einzelstaatliche Behörde oder diejenigen einzelstaatlichen Behörden, die aufgrund von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften für die Beaufsichtigung von Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen zuständig sind;
11.
„Zweigniederlassung“ eine Agentur oder Zweigniederlassung eines Versicherungsunternehmens oder eines Rückversicherungsunternehmens, das im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig ist, bei dem es sich nicht um den Herkunftsmitgliedstaat handelt;
12.
„Niederlassung“ eines Unternehmens seinen Sitz oder eine seiner Zweigniederlassungen;
13.
„Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist“ einen der nachfolgend genannten Mitgliedstaaten:
a)
bei der Versicherung entweder von Gebäuden oder von Gebäuden und den darin befindlichen Sachen, sofern diese durch den gleichen Versicherungsvertrag gedeckt sind, den Mitgliedstaat, in dem die Immobilien belegen sind;
b)
bei der Versicherung von zugelassenen Fahrzeugen aller Art den Zulassungsmitgliedstaat,
c)
bei einem höchstens viermonatigen Vertrag zur Versicherung von Reise- oder Ferienrisiken ungeachtet des betreffenden Zweigs den Mitgliedstaat, in dem der Versicherungsnehmer den Vertrag geschlossen hat;
d)
in allen nicht ausdrücklich in Buchstaben a, b oder c genannten Fällen den Mitgliedstaat, in dem Folgendes belegen ist:
i)
der gewöhnliche Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers; oder
ii)
wenn der Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, die Niederlassung dieses Versicherungsnehmers, auf die sich der Vertrag bezieht;
14.
„Mitgliedstaat der Verpflichtung“ den Mitgliedstaat, in dem Folgendes belegen ist:
a)
der gewöhnliche Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers; oder
b)
wenn der Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, die Niederlassung dieses Versicherungsnehmers, auf die sich der Vertrag bezieht;
15.
„Mutterunternehmen“ ein Mutterunternehmen im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie 83/349/EWG;
16.
„Tochterunternehmen“ ein Tochterunternehmen im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie 83/349/EWG einschließlich seiner eigenen Tochterunternehmen;
17.
„enge Verbindungen“ bezeichnet eine Situation, in der zwei oder mehr natürliche oder juristische Personen durch Kontrolle oder Beteiligung verbunden sind, oder eine Situation, in der zwei oder mehr natürliche oder juristische Personen mit ein und derselben Person durch ein Kontrollverhältnis dauerhaft verbunden sind;
18.
„Kontrolle“ das Verhältnis zwischen einem Mutterunternehmen und einem Tochterunternehmen gemäß Artikel 1 der Richtlinie 83/349/EWG oder ein gleichgeartetes Verhältnis zwischen einer natürlichen oder juristischen Person und einem Unternehmen;
19.
„gruppeninterne Transaktion“ eine Transaktion, bei der sich ein Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit direkt oder indirekt auf andere Unternehmen innerhalb derselben Gruppe oder auf mit den Unternehmen der Gruppe durch enge Verbindungen verbundene natürliche oder juristische Personen stützt, unabhängig davon, ob dies auf vertraglicher oder nicht vertraglicher und auf entgeltlicher oder unentgeltlicher Basis geschieht;
20.
„Beteiligung“ das direkte Halten oder das Halten im Wege der Kontrolle von mindestens 20 % der Stimmrechte oder des Kapitals an einem Unternehmen;
21.
„qualifizierte Beteiligung“ das direkte oder indirekte Halten von mindestens 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte eines Unternehmens oder eine andere Möglichkeit der Wahrnehmung eines maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung dieses Unternehmens;
22.
„geregelter Markt“ einen der nachfolgend genannten Märkte:
a)
im Falle eines Marktes, der in einem Mitgliedstaat belegen ist, ein geregelter Markt gemäß der Definition in Artikel 4 Absatz 1 Nummer 14 der Richtlinie 2004/39/EG; oder
b)
im Falle eines Marktes, der in einem Drittland belegen ist, ein Finanzmarkt, der die folgenden Bedingungen erfüllt:
i)
er wird von dem Herkunftsmitgliedstaat des Versicherungsunternehmens anerkannt und er erfüllt Anforderungen, die den unter der Richtlinie 2004/39/EG genannten vergleichbar sind; und
ii)
die Qualität der dort gehandelten Finanzinstrumente ist mit der Qualität der Instrumente vergleichbar, die auf dem geregelten Markt bzw. den geregelten Märkten des Herkunftsmitgliedstaats gehandelt werden;
23.
„nationales Büro“ ein nationales Versicherungsbüro gemäß Artikel 1 Absatz 3 der Richtlinie 72/166/EWG;
24.
„nationaler Garantiefonds“ die in Artikel 1 Absatz 4 der Richtlinie 84/5/EWG genannte Stelle;
25.
„Finanzunternehmen“ eines der folgenden Unternehmen:
a)
Kreditinstitute, Finanzinstitute oder Unternehmen mit bankbezogenen Hilfsdiensten im Sinne des Artikels 4 Nummern 5 bzw. 21 der Richtlinie 2006/48/EG;
b)
ein Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen oder eine Versicherungs-Holdinggesellschaft im Sinne von Artikel 212 Absatz 1 Buchstabe f;
c)
eine Wertpapierfirma oder ein Finanzinstitut im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 1 der Richtlinie 2004/39/EG; oder
d)
eine gemischte Finanzholdinggesellschaft im Sinne von Artikel 2 Nummer 15 der Richtlinie 2002/87/EG;
26.
„Zweckgesellschaft“ ein Unternehmen, unabhängig davon, ob es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt oder nicht, das kein bestehendes Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen ist und Risiken von Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen übernimmt, wobei es diese Risiken vollständig über die Emission von Schuldtiteln oder einen anderen Finanzierungsmechanismus absichert, bei denen die Rückzahlungsansprüche der Kapitalgeber über solche Schuldtitel oder einen Finanzierungsmechanismus gegenüber den Rückversicherungsverpflichtungen des Unternehmens nachrangig sind;
27.
„Großrisiken“:
a)
die unter den Zweigen 4, 5, 6, 7, 11 und 12 von Anhang I Teil A eingestuften Risiken;
b)
die unter den Zweigen 14 und 15 von Anhang I Teil A eingestuften Risiken, wenn der Versicherungsnehmer eine Erwerbstätigkeit im industriellen oder gewerblichen Sektor oder eine freiberufliche Tätigkeit ausübt und das Risiko damit im Zusammenhang steht;
c)
die unter den Zweigen 3, 8, 9, 10, 13 und 16 von Anhang I Teil A eingestuften Risiken, sofern der Versicherungsnehmer bei mindestens zwei der folgenden Kriterien die Obergrenzen überschreitet:
i)
eine Bilanzsumme von 6,2 Mio. EUR;
ii)
ein Nettoumsatz im Sinne der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrags über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen  von des Vertrags über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen  von 12,8 Mio. EUR;
iii)
eine durchschnittliche Beschäftigtenzahl von 250 Beschäftigten im Verlauf des Geschäftsjahres.

Gehört der Versicherungsnehmer zu einer Unternehmensgruppe, für die der konsolidierte Abschluss nach Maßgabe der Richtlinie 83/349/EWG erstellt wird, so werden die in Unterabsatz 1 Buchstabe c genannten Kriterien auf den konsolidierten Abschluss angewandt.

Die Mitgliedstaaten können zu der in Unterabsatz 1 Buchstabe c genannten Kategorie die Risiken hinzufügen, die von Berufsverbänden, „Joint ventures“ oder vorübergehenden Vereinigungen versichert werden;

28.
„Outsourcing“ eine Vereinbarung jeglicher Form, die zwischen einem Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen und einem Dienstleister getroffen wird, bei dem es sich um ein beaufsichtigtes oder nichtbeaufsichtigtes Unternehmen handeln kann, aufgrund derer der Dienstleister direkt oder durch weiteres Outsourcing einen Prozess, eine Dienstleistung oder eine Tätigkeit erbringt, die ansonsten vom Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen selbst erbracht werden würde;
29.
„Funktion“ eine interne Kapazität innerhalb des Governance-Systems zur Übernahme praktischer Aufgaben; das Governance-System schließt die Risikomanagementfunktion, die Compliance-Funktion, die interne Revisionsfunktion und die versicherungsmathematische Funktion mit ein;
30.
„versicherungstechnisches Risiko“ das Risiko eines Verlustes oder einer nachteiligen Veränderung des Wertes der Versicherungsverbindlichkeiten, das sich aus einer unangemessenen Preisfestlegung und nicht angemessenen Rückstellungsannahmen ergibt;
31.
„Marktrisiko“ das Risiko eines Verlustes oder nachteiliger Veränderungen der Finanzlage, das sich direkt oder indirekt aus Schwankungen in der Höhe und in der Volatilität der Marktpreise für die Vermögenswerte, Verbindlichkeiten und Finanzinstrumente ergibt;
32.
„Kreditrisiko“ das Risiko eines Verlustes oder nachteiliger Veränderungen der Finanzlage, das sich aus Fluktuationen bei der Bonität von Wertpapieremittenten, Gegenparteien und anderen Schuldnern ergibt, gegenüber denen die Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen Forderungen haben, und das in Form von Gegenparteiausfallrisiken, Spread-Risiken oder Marktrisikokonzentrationen auftritt;
32a.
„qualifizierte zentrale Gegenpartei“ eine zentrale Gegenpartei, die entweder nach Artikel 14 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates  zugelassen oder nach Artikel 25 jener Verordnung anerkannt wurde;
33.
„operationelles Risiko“ das Verlustrisiko, das sich aus der Unangemessenheit oder dem Versagen von internen Prozessen, Mitarbeitern oder Systemen oder durch externe Ereignisse ergibt;
34.
„Liquiditätsrisiko“ das Risiko, dass Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen nicht in der Lage sind, Anlagen und andere Vermögenswerte zu realisieren, um ihren finanziellen Verpflichtungen bei Fälligkeit nachzukommen;
35.
„Konzentrationsrisiko“ sämtliche mit Risiken behafteten Engagements mit einem Ausfallpotenzial, das umfangreich genug ist, um die Solvabilität oder die Finanzlage der Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen zu gefährden;
36.
„Risikominderungstechniken“ sämtliche Techniken, die die Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen in die Lage versetzen, einen Teil oder die Gesamtheit ihrer Risiken auf eine andere Partei zu übertragen;
37.
„Diversifikationseffekte“ eine Reduzierung des Gefährdungspotenzials von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen und -gruppen durch die Diversifizierung ihrer Geschäftstätigkeit, die sich aus der Tatsache ergibt, dass das negative Resultat eines Risikos durch das günstigere Resultat eines anderen Risikos ausgeglichen werden kann, wenn diese Risiken nicht voll korreliert sind;
38.
„Wahrscheinlichkeitsverteilungsprognose“ eine mathematische Funktion, die einer ausreichenden Reihe von einander ausschließenden zukünftigen Ereignissen eine Eintrittswahrscheinlichkeit zuweist;
39.
„Risikomaß“ eine mathematische Funktion, die unter einer bestimmten Wahrscheinlichkeitsverteilungsprognose einen monetären Betrag bestimmt und monoton mit dem Risikopotenzial steigt, das der Wahrscheinlichkeitsverteilungsprognose zugrunde liegt;
40.
„externe Ratingagentur“ oder „ECAI“ eine Ratingagentur, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates  zugelassen oder zertifiziert ist, oder eine Zentralbank, die Ratings abgibt und von der Anwendung der genannten Verordnung ausgenommen ist.