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Richtlinie (EU) 2017/593

Richtlinie (EU) 2017/593

Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 der Kommission vom 7. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den Schutz der Finanzinstrumente und Gelder von Kunden, Produktüberwachungspflichten und Vorschriften für die Entrichtung beziehungsweise Gewährung oder Entgegennahme von Gebühren, Provisionen oder anderen monetären oder nicht-monetären Vorteilen

  • KAPITEL III: PRODUKTÜBERWACHUNGSANFORDERUNGEN

Art. 9 Produktüberwachungspflichten von Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente konzipieren

(1) 

Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, diesen Artikel einzuhalten, wenn sie Finanzinstrumente konzipieren, was die Schaffung, Entwicklung, Begebung und/oder Gestaltung von Finanzinstrumenten beinhaltet.

Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente konzipieren, die einschlägigen Anforderungen der Absätze 2 bis 15 so erfüllen, wie es eingedenk der Art des Finanzinstruments, der Wertpapierdienstleistung und des Zielmarkts des Produkts angemessen und verhältnismäßig ist.

(2) Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, Verfahren und Maßnahmen einzuführen, umzusetzen und aufrechtzuerhalten, die sicherstellen, dass die Konzeption von Finanzinstrumenten die Anforderungen für den ordnungsgemäßen Umgang mit Interessenkonflikten, einschließlich Vergütung, erfüllen. ²Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente konzipieren, tragen insbesondere dafür Sorge, dass die Gestaltung des Finanzinstruments, einschließlich seiner Merkmale, keine negativen Auswirkungen auf die Endkunden hat und nicht zu Problemen mit der Marktintegrität führt, indem sie es der Firma ermöglicht, eigene Risiken oder Positionen im Basiswert des Produkts zu mindern und/oder sich derer zu entledigen, falls die Wertpapierfirma die Basiswerte bereits für eigene Rechnung hält.

(3) Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, jedes Mal, wenn ein Finanzinstrument konzipiert wird, mögliche Interessenkonflikte zu analysieren. Insbesondere bewerten die Firmen, ob das Finanzinstrument eine Situation schafft, in der den Endkunden in Nachteile entstehen könnten, wenn sie

a)
eine Gegenposition zu der Position übernehmen, die zuvor von der Firma selbst gehalten wurde oder
b)
eine Gegenposition zu der Position übernehmen, die die Firma nach Verkauf des Produkts halten will.

(4) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Wertpapierfirmen prüfen, ob das Finanzinstrument eine Gefahr für die geordnete Funktionsweise oder die Stabilität der Finanzmärkte darstellen könnte, bevor sie beschließen, mit der Auflage des Produkts fortzufahren.

(5) Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, sicherzustellen, dass die an der Konzeption von Finanzinstrumenten beteiligten maßgeblichen Mitarbeiter über die erforderliche Sachkenntnis verfügen, um die Merkmale und Risiken der Finanzinstrumente, die sie konzipieren wollen, zu verstehen.

(6) Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, dafür zu sorgen, dass das Leitungsorgan eine wirksame Kontrolle über den Produktüberwachungsprozess der Firma ausübt. ²Die Wertpapierfirmen stellen sicher, dass die Compliance-Berichte an das Leitungsorgan systematisch auch Informationen über die von der Firma konzipierten Finanzinstrumente enthalten, insbesondere auch Informationen über die Vertriebsstrategie. ³Die Wertpapierfirmen stellen die Berichte auf Verlangen den zuständigen Behörden zur Verfügung.

(7) Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, sicherzustellen, dass die Compliance-Funktion über die Entwicklung und regelmäßige Überprüfung der Produktüberwachungsvorkehrungen wacht, damit jegliches Risiko, dass die Firma die in diesem Artikel festgelegten Verpflichtungen nicht erfüllt, erkannt wird.

(8) Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, im Falle der Zusammenarbeit bei der Schaffung, Entwicklung, Begebung und/oder Gestaltung eines Produkts, insbesondere auch mit Unternehmen, die nicht nach der Richtlinie 2014/65/EU zugelassen und beaufsichtigt werden, oder mit Drittlandfirmen, die jeweiligen Verantwortlichkeiten in einer schriftlichen Vereinbarung festzuhalten.

(9) 

Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, mit ausreichender Detailtiefe den potenziellen Zielmarkt für jedes Finanzinstrument und die Kundenart(en) zu bestimmen, mit deren Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen das Finanzinstrument vereinbar ist. ²Im Rahmen dieses Prozesses bestimmt die Firma etwaige Kundengruppen, mit deren Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen das Finanzinstrument nicht vereinbar ist. ³Arbeiten Wertpapierfirmen bei der Konzeption eines Finanzinstruments zusammen, braucht nur ein Zielmarkt bestimmt zu werden.

Wertpapierfirmen, die durch andere Wertpapierfirmen vertriebene Finanzinstrumente konzipieren, bestimmen die Bedürfnisse und Merkmale der Kunden, mit denen das Produkt vereinbar ist, auf der Grundlage ihrer theoretischen Kenntnisse und bisherigen Erfahrungen, die sie in Bezug auf das Finanzinstrument oder vergleichbare Finanzinstrumente, die Finanzmärkte sowie die Bedürfnisse, Merkmale und Ziele der potenziellen Endkunden erworben haben.

(10) Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, eine Szenarioanalyse ihrer Finanzinstrumente durchzuführen, bei der bewertet wird, welche Risiken bei dem Produkt hinsichtlich schlechter Ergebnisse für Endkunden bestehen und unter welchen Umständen diese Ergebnisse eintreten könnten. Die Wertpapierfirmen bewerten das Finanzinstrument unter Negativbedingungen und analysieren dabei beispielsweise, was geschähe, wenn,

a)
sich die Marktbedingungen verschlechtern;
b)
der Konzepteur oder ein an der Konzeption und/oder der Funktionsweise des Finanzinstruments beteiligter Dritter in finanzielle Schwierigkeiten gerät oder ein anderes Gegenparteirisiko eintritt;
c)
sich das Finanzinstrument als kommerziell nicht lebensfähig erweist oder
d)
die Nachfrage nach dem Finanzinstrument erheblich höher ausfällt als erwartet, so dass Druck auf die Ressourcen der Firma und/oder den Markt des Basisinstruments entsteht.

(11) Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, festzustellen, ob ein Finanzinstrument den ermittelten Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen des Zielmarkts entspricht, unter anderem indem sie untersuchen, ob folgende Elemente gegeben sind:

a)
das Risiko-/Ertragsprofil des Finanzinstruments ist mit dem Zielmarkt vereinbar; und
b)
die Gestaltung des Finanzinstruments wird durch Merkmale bestimmt, die für den Kunden von Vorteil sind, und nicht durch ein Geschäftsmodell, dessen Rentabilität auf schlechten Kundenergebnissen beruht.

(12) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Wertpapierfirmen die für das Finanzinstrument geplante Gebührenstruktur prüfen, auch indem sie untersuchen, ob Folgendes gegeben ist:

a)
die Kosten und Gebühren des Finanzinstruments sind mit den Bedürfnissen, Zielen und Merkmalen des Zielmarkts vereinbar;
b)
die Gebühren untergraben nicht die Renditeerwartungen des Finanzinstruments, was beispielweise der Fall ist, wenn die Kosten oder Gebühren nahezu alle erwarteten steuerlichen Vorteile eines Finanzinstruments aufwiegen, übersteigen oder zunichte machen; und
c)
die Gebührenstruktur des Finanzinstruments ist für den Zielmarkt hinreichend transparent, so dass sie Gebühren nicht verschleiert oder nicht zu komplex ist, um verstanden werden zu können.

(13) Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, dafür zu sorgen, dass die Bereitstellung von Informationen über ein Finanzinstrument an die Vertreiber auch Informationen über die für das Finanzinstrument geeigneten Vertriebskanäle, das Produktgenehmigungsverfahren und die Zielmarktbewertung beinhaltet und einem angemessenen Standard entspricht, der die Vertreiber in die Lage versetzt, das Finanzinstrument richtig zu verstehen und zu empfehlen oder zu verkaufen.

(14) Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, die von ihnen konzipierten Finanzinstrumente regelmäßig zu überprüfen und dabei alle Ereignisse zu berücksichtigen, die das potenzielle Risiko für den bestimmten Zielmarkt wesentlich beeinflussen könnten. ²Die Wertpapierfirmen prüfen, ob das Finanzinstrument weiterhin mit den Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen des Zielmarkts vereinbar ist und auf dem Zielmarkt vertrieben wird oder ob es Kunden erreicht, mit deren Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen das Finanzinstrument nicht vereinbar ist.

(15) 

Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente vor jeder weiteren Begebung oder Wiederauflage — wenn sie Kenntnis von einem Ereignis haben, das das potenzielle Risiko für die Anleger wesentlich beeinflussen könnte — sowie in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, um zu bewerten, ob die Finanzinstrumente in der beabsichtigten Weise funktionieren. ²Die Wertpapierfirmen legen fest, wie regelmäßig sie ihre Finanzinstrumente überprüfen, wobei sie relevante Faktoren berücksichtigen, insbesondere auch Faktoren, die mit der Komplexität oder dem innovativen Charakter der verfolgten Anlagestrategien zusammenhängen. Die Firmen bestimmen auch zentrale Ereignisse, die das potenzielle Risiko oder die Renditeerwartungen des Finanzinstruments beeinflussen können, bespielweise

a)
das Überschreiten einer Schwelle, die das Ertragsprofil des Finanzinstruments beeinflussen wird; oder
b)
die Solvabilität bestimmter Emittenten, deren Wertpapiere oder Garantien sich auf die Wertentwicklung des Finanzinstruments auswirken könnten.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Wertpapierfirmen bei Eintritt derartiger Ereignisse angemessene Maßnahmen ergreifen, die Folgendes beinhalten können:

a)
Übermittlung aller relevanten Informationen über das Ereignis und seine Auswirkungen auf das Finanzinstrument an die Kunden oder die Vertreiber des Finanzinstruments, falls die Wertpapierfirma das Finanzinstrument den Kunden nicht direkt anbietet oder nicht direkt an die Kunden vertreibt;
b)
Veränderung des Produktgenehmigungsverfahrens;
c)
Einstellung der weiteren Begebung des Finanzinstruments;
d)
Veränderung des Finanzinstruments zur Vermeidung unfairer Vertragsklauseln;
e)
Prüfung, ob die für den Verkauf der Finanzinstrumente genutzten Kanäle angemessen sind, wenn die Firmen feststellen, dass das Finanzinstrument nicht wie geplant verkauft wird;
f)
Kontaktaufnahme mit dem Vertreiber, um eine Veränderung des Vertriebsprozesses zu erörtern;
g)
Beendigung der Beziehung mit dem Vertreiber; oder
h)
Unterrichtung der jeweils zuständigen Behörde.