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Richtlinie (EU) 2014/65

Richtlinie (EU) 2014/65

Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU

  • TITEL II: ZULASSUNG VON WERTPAPIERFIRMEN UND BEDINGUNGEN FÜR DIE AUSÜBUNG DER TÄTIGKEIT
    • KAPITEL II: Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit von Wertpapierfirmen
      • Abschnitt 2: Bestimmungen zum Anlegerschutz

Art. 25 Beurteilung der Eignung und Zweckmäßigkeit sowie Berichtspflicht gegenüber Kunden

(1) Die Mitgliedstaaten verlangen von Wertpapierfirmen, dafür zu sorgen und der zuständigen Behörde auf Anfrage nachzuweisen, dass natürliche Personen, die gegenüber Kunden im Namen der Wertpapierfirma eine Anlageberatung erbringen oder Kunden Informationen über Anlageprodukte, Wertpapierdienstleistungen oder Nebendienstleistungen erteilen, über die Kenntnisse und Kompetenzen verfügen, die für die Erfüllung der Verpflichtungen nach Artikel 24 und diesem Artikel notwendig sind. ²Die Mitgliedstaaten veröffentlichen die Kriterien, die für die Beurteilung der Kenntnisse und Kompetenzen angelegt werden.

(2) 

Erbringt die Wertpapierfirma Anlageberatung- oder Portfolio-Management, holt sie die notwendigen Informationen über die Kenntnisse und Erfahrung des Kunden oder potenziellen Kunden im Anlagebereich in Bezug auf den speziellen Produkttyp oder den speziellen Typ der Dienstleistung, seine finanziellen Verhältnisse, einschließlich seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, und seine Anlageziele, einschließlich seiner Risikotoleranz, ein, um ihr zu ermöglichen, dem Kunden oder potenziellen Kunden Wertpapierdienstleistungen und Finanzinstrumente zu empfehlen, die für ihn geeignet sind und insbesondere seiner Risikotoleranz und seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, entsprechen.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in dem Fall, dass eine Wertpapierfirma eine Anlageberatung erbringt, bei der ein Paket von Dienstleistungen oder Produkten empfohlen wird, die gemäß Artikel 24 Absatz 11 gebündelt sind, das gesamte gebündelte Paket für den Kunden geeignet ist.

(3) 

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Wertpapierfirmen bei anderen als den in Absatz 2 genannten Finanzdienstleistungen Kunden oder potenzielle Kunden um Angaben zu ihren Kenntnissen und Erfahrungen im Anlagebereich in Bezug auf den speziellen Typ der angebotenen oder angeforderten Produkte oder Dienstleistungen bitten, um beurteilen zu können, ob die in Betracht gezogenen Wertpapierdienstleistungen oder Produkte für den Kunden angemessen sind. ²Wird ein Bündel von Dienstleistungen oder Produkten gemäß Artikel 24 Absatz 11 in Betracht gezogen, wird bei der Beurteilung berücksichtigt, ob das gesamte gebündelte Paket angemessen ist.

³Ist die Wertpapierfirma aufgrund der gemäß Unterabsatz 1 erhaltenen Informationen der Auffassung, dass das Produkt oder die Dienstleistung für den Kunden oder potenziellen Kunden nicht angemessen ist, warnt sie den Kunden oder potenziellen Kunden. Dieser Hinweis kann in standardisierter Form erfolgen.

Machen die Kunden oder potenziellen Kunden die in Unterabsatz 1 genannten Angaben nicht oder machen sie unzureichende Angaben zu ihren Kenntnissen und Erfahrungen, warnt sie die Wertpapierfirma, dass sie nicht in der Lage ist zu beurteilen, ob die in Betracht gezogene Wertpapierdienstleistung oder das in Betracht gezogene Produkt für sie angemessen ist. Dieser Hinweis kann in standardisierter Form erfolgen.

(4) 

Die Mitgliedstaaten gestatten Wertpapierfirmen, deren Wertpapierdienstleistungen lediglich in der Ausführung von Kundenaufträgen oder der Annahme und Übermittlung von Kundenaufträgen mit oder ohne Nebendienstleistungen bestehen, mit Ausnahme der in Anhang 1 Abschnitt B Nummer 1 genannten Gewährung von Krediten oder Darlehen, die keine bestehenden Kreditobergrenzen von Darlehen, Girokonten und Überziehungsmöglichkeiten von Kunden beinhalten, solche Wertpapierdienstleistungen für ihre Kunden zu erbringen, ohne zuvor die Angaben gemäß Absatz 3 einholen oder bewerten zu müssen, wenn alle der nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a)
die Dienstleistungen beziehen sich auf eines der folgenden Finanzinstrumente:
i)
Aktien, die zum Handel an einem geregelten Markt oder einem gleichwertigen Markt eines Drittlandes oder in einem MTF zugelassen sind, sofern es sich um Aktien von Unternehmen handelt, mit Ausnahme von Anteilen an Organismen für gemeinsame Anlagen, die keine OGAW sind, und Aktien, in die ein Derivat eingebettet ist;
ii)
Schuldverschreibungen oder sonstige verbriefte Schuldtitel, die zum Handel an einem geregelten Markt oder einem gleichwertigen Markt eines Drittlandes oder in einem MTF zugelassen sind, mit Ausnahme der Schuldverschreibungen oder verbrieften Schuldtitel, in die ein Derivat eingebettet ist oder die eine Struktur enthalten, die es dem Kunden erschwert, die damit einhergehenden Risiken zu verstehen;
iii)
Geldmarktinstrumente, mit Ausnahme der Instrumente, in die ein Derivat eingebettet ist oder die eine Struktur enthalten, die es dem Kunde erschwert, die damit einhergehenden Risiken zu verstehen;
iv)
Aktien oder Anteile an OGAW, mit Ausnahme der in Artikel 36 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 583/2010 genannten strukturierten OGAW;
v)
strukturierte Einlagen mit Ausnahme der Einlagen, die eine Struktur enthalten, die es dem Kunden erschwert, das Ertragsrisiko oder die Kosten eines Verkaufs des Produkts vor Fälligkeit zu verstehen;
vi)
andere nicht komplexe Finanzinstrumente im Sinne dieses Absatzes.

Für die Zwecke dieses Buchstabens gilt ein Markt eines Drittlandes als einem geregelten Markt gleichwertig, wenn die Anforderungen und das Verfahren der Unterabsätze 3 und 4 erfüllt sind.

³Auf Antrag der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats erlässt die Kommission gemäß dem in Artikel 89a Absatz 2 genannten Prüfungsverfahren Beschlüsse über die Gleichwertigkeit, durch die festgestellt wird, ob der Rechts- und Aufsichtsrahmen eines Drittlands gewährleistet, dass ein in diesem Drittland zugelassener geregelter Markt rechtlich bindende Anforderungen erfüllt, die zum Zweck der Anwendung des vorliegenden Buchstabens den Anforderungen, die sich aus der Verordnung (EU) Nr. 596/2014, aus Titel III der vorliegenden Richtlinie, aus Titel II der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 sowie aus der Richtlinie 2004/109/EG ergeben, gleichwertig sind und in diesem Drittland einer wirksamen Beaufsichtigung und Durchsetzung unterliegen. Die zuständige Behörde legt dar, weshalb sie der Ansicht ist, dass der Rechts- und Aufsichtsrahmen des betreffenden Drittlands als gleichwertig anzusehen ist, und legt hierfür einschlägige Informationen vor.

Ein solcher Rechts- und Aufsichtsrahmen eines Drittlands kann als gleichwertig betrachtet werden, wenn dieser Rahmen mindestens die folgenden Bedingungen erfüllt:

i)
Die Märkte unterliegen der Zulassung und kontinuierlichen wirksamen Beaufsichtigung und Durchsetzung;
ii)
die Märkte verfügen über klare und transparente Vorschriften für die Zulassung von Wertpapieren zum Handel, sodass diese Wertpapiere fair, ordnungsgemäß und effizient gehandelt werden können und frei handelbar sind;
iii)
die Wertpapieremittenten unterliegen regelmäßig und kontinuierlich Informationspflichten, die ein hohes Maß an Anlegerschutz gewährleisten; und
iv)
Markttransparenz und -integrität sind gewährleistet, indem Marktmissbrauch in Form von Insider-Geschäften und Marktmanipulation verhindert wird.
b)
die Dienstleistung wird auf Veranlassung des Kunden oder potenziellen Kunden erbracht;
c)
der Kunde oder potenzielle Kunde wurde eindeutig darüber informiert, dass die Wertpapierfirma bei der Erbringung dieser Dienstleistung die Angemessenheit der Finanzinstrumente oder Dienstleistungen, die erbracht oder angeboten werden, nicht prüfen muss und der Kunde daher nicht in den Genuss des Schutzes der einschlägigen Wohlverhaltensregeln kommt. Eine derartige Warnung kann in standardisierter Form erfolgen;
d)
die Wertpapierfirma kommt ihren Pflichten gemäß Artikel 23 nach.

(5) Die Wertpapierfirma erstellt eine Aufzeichnung, die das Dokument oder die Dokumente mit den Vereinbarungen zwischen der Wertpapierfirma und dem Kunden enthält, die die Rechte und Pflichten der Parteien sowie die sonstigen Bedingungen, zu denen die Wertpapierfirma Dienstleistungen für den Kunden erbringt, festlegt. ²Die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien können durch einen Verweis auf andere Dokumente oder Rechtstexte aufgenommen werden.

(6) 

Die Wertpapierfirma stellt dem Kunden geeignete Berichte über die erbrachten Dienstleistungen mittels eines dauerhaften Datenträgers zur Verfügung. ²Diese Berichte enthalten regelmäßige Mitteilungen an die Kunden, in denen der Art und der Komplexität der jeweiligen Finanzinstrumente sowie der Art der für den Kunden erbrachten Dienstleistung Rechnung getragen wird, und gegebenenfalls die Kosten, die mit den im Namen des Kunden durchgeführten Geschäften und den erbrachten Dienstleistungen verbunden sind.

Leistet die Wertpapierfirma Anlageberatung, erhält der Kunde vor Durchführung des Geschäfts von ihr eine Erklärung zur Geeignetheit auf einem dauerhaften Datenträger, in der sie die erbrachte Beratung nennt und erläutert, wie die Beratung auf die Präferenzen, Ziele und sonstigen Merkmale des Kleinanlegers abgestimmt wurde.

Wenn die Vereinbarung, ein Finanzinstrument zu kaufen oder zu verkaufen, unter Verwendung eines Fernkommunikationsmittels geschlossen wird und die vorherige Aushändigung der Geeignetheitserklärung somit nicht möglich ist, kann die Wertpapierfirma dem Kunden die schriftliche Erklärung zur Geeignetheit auf einem dauerhaften Datenträger übermitteln, unmittelbar nachdem dieser sich vertraglich gebunden hat, sofern die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)
Der Kunde hat der Übermittlung der Geeignetheitserklärung unverzüglich nach Geschäftsabschluss zugestimmt, und
b)
die Wertpapierfirma hat den Kunden die Option eingeräumt, das Geschäft zu verschieben, um die Geeignetheitserklärung vorher zu erhalten.

Wenn eine Wertpapierfirma eine Portfolioverwaltung erbringt oder dem Kunden mitgeteilt hat, dass sie eine regelmäßige Beurteilung der Geeignetheit vornehmen werde, muss der regelmäßige Bericht eine aktualisierte Erklärung dazu enthalten, wie die Anlage auf die Präferenzen, Ziele und sonstigen Merkmale des Kleinanlegers abgestimmt wurde.

(7) Ist ein Wohnimmobilienkreditvertrag, der den Bestimmungen zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit von Verbrauchern der Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates  unterliegt, an die Vorbedingung geknüpft, dass demselben Verbraucher eine Wertpapierdienstleistung in Bezug auf speziell zur Besicherung der Finanzierung des Kredits begebene Pfandbriefe mit denselben Konditionen wie der Wohnimmobilienkreditvertrag erbracht wird, damit der Kredit ausgezahlt, refinanziert oder abgelöst werden kann, unterliegt diese Dienstleistung nicht den in diesem Artikel genannten Verpflichtungen.

(8) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 89 zu erlassen um zu gewährleisten, dass Wertpapierfirmen bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Nebendienstleistungen für ihre Kunden den in den Absätzen 2 bis 6 dieses Artikels festgelegten Grundsätzen genügen; hierzu zählen die zur Beurteilung der Eignung oder Zweckmäßigkeit der Dienstleistungen und der Finanzinstrumente für ihre Kunden einzuholenden Informationen, die Kriterien zur Beurteilung nicht komplexer Finanzinstrumente für die Zwecke des Absatzes 4 Buchstabe a Ziffer vi dieses Artikels, der Inhalt und das Format der Aufzeichnungen und Vereinbarungen für die Erbringung von Dienstleistungen für Kunden und der regelmäßigen Berichte an die Kunden über die erbrachten Leistungen. In diesen delegierten Rechtsakten sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:

a)
die Art der den Kunden oder potenziellen Kunden angebotenen oder für diese erbrachten Dienstleistung(en) unter Berücksichtigung von Typ, Gegenstand, Umfang und Häufigkeit der Geschäfte;
b)
die Art der angebotenen oder in Betracht gezogenen Produkte, einschließlich der unterschiedlichen Arten von Finanzinstrumenten;
c)
ob es sich bei den Kunden oder potenziellen Kunden um Kleinanleger oder professionelle Anleger handelt oder im Fall von Absatz 6 deren Einstufung als geeignete Gegenpartei.

(9) Die ESMA nimmt bis zum 3. Januar 2016 Leitlinien an, in denen die Kriterien für die Beurteilung der Kenntnisse und Kompetenzen, die nach Absatz 1 erforderlich sind, angegeben werden.

(10) Die ESMA arbeitet bis zum 3. Januar 2016 Leitlinien für die Bewertung von Folgendem aus:

a)
Finanzinstrumente, die gemäß Absatz 4 Buchstabe a Ziffern ii und iii eine Struktur enthalten, die es dem Kunden erschwert, die damit einhergehenden Risiken zu verstehen;
b)
strukturierte Einlagen, die gemäß Absatz 4 Buchstabe a Ziffer v eine Struktur enthalten, die es dem Kunden erschwert, das Ertragsrisiko oder die Kosten eines Verkaufs des Produkts vor der Fälligkeit zu verstehen.

(11) Die ESMA kann Leitlinien für die Bewertung von Finanzinstrumenten, die als nicht komplex für die Zwecke des Absatzes 4 Buchstabe a Ziffer vi eingestuft werden, unter Berücksichtigung der nach Absatz 8 erlassenen delegierten Rechtsakte ausarbeiten und sie regelmäßig aktualisieren.