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Richtlinie (EU) 2012/34

Richtlinie (EU) 2012/34

Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums

  • KAPITEL I: ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Art. 3 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1.
„Eisenbahnunternehmen“ jedes nach dieser Richtlinie zugelassene öffentlich-rechtliche oder private Unternehmen, dessen Haupttätigkeit im Erbringen von Eisenbahnverkehrsdiensten zur Beförderung von Gütern und/oder Personen besteht, wobei dieses Unternehmen die Traktion sicherstellen muss; dies schließt auch Unternehmen ein, die ausschließlich die Traktionsleistung erbringen;

2.
„Infrastrukturbetreiber“ jede Stelle oder jedes Unternehmen, die bzw. das für den Betrieb, die Instandhaltung und die Erneuerung von Eisenbahninfrastruktur innerhalb eines Netzes sowie für die Beteiligung an deren Ausbau gemäß den von dem Mitgliedstaat im Rahmen seiner allgemeinen Politik für den Ausbau und die Finanzierung der Infrastruktur festgelegten Vorschriften zuständig ist;

2a.
„Ausbau der Eisenbahninfrastruktur“ die Netzplanung, die Finanz- und Investitionsplanung sowie den Bau und die Umrüstung der Fahrwege;
2b.
„Betrieb der Eisenbahninfrastruktur“ die Zugtrassenzuweisung, das Verkehrsmanagement und die Erhebung von Wegeentgelten;
2c.
„Instandhaltung der Eisenbahninfrastruktur“ Arbeiten zur Erhaltung des Zustands und der Kapazität der bestehenden Infrastruktur;
2d.
„Erneuerung der Eisenbahninfrastruktur“ umfangreiche Arbeiten zum Austausch bestehender Infrastrukturen, mit denen die Gesamtleistung der Eisenbahninfrastruktur nicht verändert wird;
2e.
„Umrüstung der Eisenbahninfrastruktur“ umfangreiche Arbeiten zur Änderung der Infrastruktur, mit denen deren Gesamtleistung verbessert wird;
2f.
„Wesentliche Funktionen“ des Infrastrukturbetriebs Entscheidungen über die Zugtrassenzuweisung, einschließlich sowohl der Bestimmung als auch der Beurteilung der Verfügbarkeit und der Zuweisung von einzelnen Zugtrassen, und Entscheidungen über die Wegeentgelte, einschließlich ihrer Festlegung und Erhebung, im Einklang mit den Rahmenbedingungen für die Entgelterhebung und den Rahmenbedingungen für die Kapazitätszuweisung, die von den Mitgliedstaaten gemäß den Artikeln 29 und 39 festgelegt werden;

3.
„Eisenbahninfrastruktur“ die in Anhang I aufgeführten Anlagen;
4.
„grenzüberschreitender Güterverkehrsdienst“ einen Verkehrsdienst, bei dem der Zug mindestens eine Grenze eines Mitgliedstaats überquert; der Zug kann erweitert und/oder geteilt werden, und die verschiedenen Zugteile können unterschiedliche Abfahrts- und Bestimmungsorte haben, sofern alle Wagen mindestens eine Grenze überqueren;
5.
„grenzüberschreitender Personenverkehrsdienst“ einen Verkehrsdienst zur Beförderung von Fahrgästen, bei dem der Zug mindestens eine Grenze eines Mitgliedstaats überquert und dessen Hauptzweck die Beförderung von Fahrgästen zwischen Bahnhöfen in verschiedenen Mitgliedstaaten ist; der Zug kann erweitert und/oder geteilt werden, und die verschiedenen Zugteile können unterschiedliche Abfahrts- oder Bestimmungsorte haben, sofern alle Wagen mindestens eine Grenze überqueren;
6.
„Stadt- und Vorortverkehr“ Verkehrsdienste, deren Hauptzweck es ist, die Verkehrsbedürfnisse eines Stadtgebietes oder eines — gegebenenfalls auch grenzüberschreitenden — Ballungsraumes sowie die Verkehrsbedürfnisse zwischen einem Stadtgebiet oder Ballungsraum und dem Umland abzudecken;
7.
„Regionalverkehr“ Verkehrsdienste, deren Hauptzweck es ist, die Verkehrsbedürfnisse einer — gegebenenfalls auch grenzüberschreitenden — Region abzudecken;
8.
„Transit“ die Durchfahrt durch das Gebiet der Union ohne Be- oder Entladen von Gütern und/oder ohne Aufnahme oder Absetzen von Fahrgästen im Gebiet der Union;
9.
„Alternativstrecke“ eine andere Strecke zwischen demselben Herkunfts- und Bestimmungsort, wenn zwischen beiden Strecken für den Betrieb des betreffenden Güter- oder Personenverkehrsdienstes durch das Eisenbahnunternehmen Substituierbarkeit besteht;
10.
„tragfähige Alternative“ den Zugang zu einer anderen Serviceeinrichtung, die für das Eisenbahnunternehmen wirtschaftlich annehmbar ist und es ihm ermöglicht, den betreffenden Güter- oder Personenverkehrsdienst zu betreiben;
11.
„Serviceeinrichtung“ die Anlage — unter Einschluss von Grundstück, Gebäude und Ausrüstung —, die ganz oder teilweise speziell hergerichtet wurde, um eine oder mehrere der in Anhang II Nummern 2 bis 4 genannten Serviceleistungen erbringen zu können;
12.
„Betreiber einer Serviceeinrichtung“ eine öffentliche oder private Stelle, die für den Betrieb einer oder mehrerer Serviceeinrichtungen oder für die Erbringung einer oder mehrerer der in Anhang II Nummern 2 bis 4 genannten Serviceleistungen für Eisenbahnunternehmen zuständig ist;
13.
„grenzüberschreitende Vereinbarung“ eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten oder zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten, mit der die Erbringung von grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrsdiensten erleichtert werden soll;
14.
„Genehmigung“ eine Genehmigung, die eine Genehmigungsbehörde einem Unternehmen erteilt und damit dessen Befähigung zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten als Eisenbahnunternehmen anerkennt; diese Befähigung kann auf bestimmte Arten von Verkehrsdiensten begrenzt werden;
15.
„Genehmigungsbehörde“ die Stelle, die in einem Mitgliedstaat für die Erteilung von Genehmigungen verantwortlich ist;
16.
„vertragliche Vereinbarung“ einen Vertrag oder eine entsprechende Vereinbarung im Rahmen von Verwaltungsmaßnahmen;
17.
„angemessener Gewinn“ eine Eigenkapitalrendite, die dem Risiko des Betreibers der Serviceeinrichtung, auch hinsichtlich der Einnahmen, oder dem Fehlen eines solchen Risikos Rechnung trägt und von der durchschnittlichen Rendite in dem betreffenden Sektor in den Vorjahren nicht wesentlich abweicht;
18.
„Zuweisung“ die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn durch einen Infrastrukturbetreiber;
19.
„Antragsteller“ ein Eisenbahnunternehmen oder eine internationale Gruppierung von Eisenbahnunternehmen oder andere natürliche oder juristische Personen wie zuständige Behörden im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007, Verlader, Spediteure und Unternehmen des kombinierten Verkehrs, die ein gemeinwirtschaftliches oder einzelwirtschaftliches Interesse am Erwerb von Fahrwegkapazität haben;
20.
„überlastete Fahrwege“ einen Fahrwegteil, auf dem der Nachfrage nach Fahrwegkapazität auch nach Koordinierung der verschiedenen Anträge auf Zuweisung von Fahrwegkapazität während bestimmter Zeitabschnitte nicht vollständig entsprochen werden kann;
21.
„Plan zur Erhöhung der Fahrwegkapazität“ eine mit einem Durchführungszeitplan verbundene Maßnahme oder Reihe von Maßnahmen zur Behebung von Kapazitätsengpässen, die dazu führen, dass ein Fahrwegteil als „überlastet“ eingestuft wird;
22.
„Koordinierung“ das Verfahren, bei dem der Infrastrukturbetreiber und die Antragsteller versuchen, Lösungen für nicht miteinander zu vereinbarende Anträge auf Zuweisung von Fahrwegkapazität zu finden;
23.
„Rahmenvertrag“ eine rechtsverbindliche allgemeine öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Vereinbarung über die Rechte und Pflichten eines Antragstellers und des Infrastrukturbetreibers in Bezug auf die zuzuweisende Fahrwegkapazität und die zu erhebenden Entgelte über einen längeren Zeitraum als eine Netzfahrplanperiode;
24.
„Fahrwegkapazität“ die Möglichkeit, für einen Teil des Fahrwegs für einen bestimmten Zeitraum beantragte Zugtrassen einzuplanen;
25.
„Netz“ bzw. „Schienennetz“ die gesamte Eisenbahninfrastruktur, der von einem Infrastrukturbetreiber verwaltet wird;
26.
„Schienennetz-Nutzungsbedingungen“ eine detaillierte Darlegung der allgemeinen Regeln, Fristen, Verfahren und Kriterien für die Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen einschließlich der zusätzlichen Informationen, die für die Beantragung von Fahrwegkapazität benötigt werden;
27.
„Zugtrasse“ die Fahrwegkapazität, die erforderlich ist, damit ein Zug zu einer bestimmten Zeit zwischen zwei Orten verkehren kann;
28.
„Netzfahrplan“ die Daten zur Festlegung aller geplanten Zugbewegungen und Bewegungen der Fahrzeuge, die auf dem betreffenden Schienennetz während der Gültigkeitsdauer des Netzfahrplans durchgeführt werden;
29.
„Abstellgleis“ Gleise, die speziell für das zeitweilige Parken von Schienenfahrzeugen zwischen zwei Zuweisungen bestimmt sind;
30.
„schwere Instandhaltung“ Arbeiten, die nicht routinemäßig als Teil des alltäglichen Betriebs durchgeführt werden und für die das Fahrzeug aus dem Betrieb genommen werden muss;

31.
„Vertikal integriertes Unternehmen“ ein Unternehmen, bei dem im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates 
a)
ein Infrastrukturbetreiber von einem Unternehmen kontrolliert wird, das gleichzeitig ein oder mehrere Eisenbahnunternehmen kontrolliert, das bzw. die Schienenverkehrsdienste auf dem Netz des Infrastrukturbetreibers durchführt bzw. durchführen,
b)
ein Infrastrukturbetreiber von einem oder mehreren Eisenbahnunternehmen kontrolliert wird, das bzw. die Schienenverkehrsdienste auf dem Netz des Infrastrukturbetreibers durchführt bzw. durchführen, oder
c)
ein oder mehrere Eisenbahnunternehmen, das bzw. die Schienenverkehrsdienste auf dem Netz des Infrastrukturbetreibers durchführt bzw. durchführen, von einem Infrastrukturbetreiber kontrolliert wird bzw. werden.

Der Begriff bezeichnet ferner ein Unternehmen, das aus voneinander getrennten Bereichen besteht, welche einen Infrastrukturbetreiber und einen oder mehrere Bereiche für die Durchführung von Verkehrsdiensten umfassen, die keine eigene Rechtspersönlichkeit haben.

Sind ein Infrastrukturbetreiber und ein Eisenbahnunternehmen völlig voneinander unabhängig, werden jedoch beide unmittelbar von einem Mitgliedstaat ohne zwischengeschaltete Stelle kontrolliert, so gelten sie für die Zwecke dieser Richtlinie nicht als vertikal integriertes Unternehmen;

32.
„Öffentlich-private Partnerschaft“ eine verbindliche Vereinbarung zwischen öffentlichen Stellen und einem oder mehreren anderen Unternehmen als dem Hauptinfrastrukturbetreiber eines Mitgliedstaats, in deren Rahmen die Unternehmen Eisenbahninfrastrukturen teilweise oder ganz aufbauen und/oder finanzieren und/oder das Recht erwerben, die in Nummer 2 aufgelisteten Funktionen für einen vorab festgelegten Zeitraum wahrzunehmen. Die Vereinbarung kann jedwede geeignete rechtsverbindliche Form annehmen, die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen ist;
33.
„Vorstand“ das Leitungsorgan eines Unternehmens, das Führungs- und Verwaltungsaufgaben wahrnimmt und für das Tagesgeschäft des Unternehmens verantwortlich und rechenschaftspflichtig ist;
34.
„Aufsichtsrat“ das oberste Organ eines Unternehmens, das Aufsichtsaufgaben wahrnimmt, einschließlich der Kontrolle über den Vorstand und allgemeiner strategischer Entscheidungen in Bezug auf das Unternehmen;
35.
„Durchgangsfahrschein“ ein oder mehrere Fahrscheine, die einen Beförderungsvertrag für aufeinanderfolgende durch ein oder mehrere Eisenbahnunternehmen erbrachte Eisenbahnverkehrsdienste belegen;
36.
„Hochgeschwindigkeits-Personenverkehrsdienste“ Schienenpersonenverkehrsdienste, die ohne fahrplanmäßigen Zwischenhalt zwischen zwei mindestens 200 km voneinander entfernten Orten auf eigens für Hochgeschwindigkeitszüge gebauten Strecken erbracht werden, die für Geschwindigkeiten von im Allgemeinen mindestens 250 km/h ausgelegt sind und im Durchschnitt mit diesen Geschwindigkeiten betrieben werden.