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Verordnung (EU) 2017/574

Verordnung (EU) 2017/574

Delegierte Verordnung (EU) 2017/574 der Kommission vom 7. Juni 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für den Grad an Genauigkeit von im Geschäftsverkehr verwendeten Uhren

Erwägungen

(1)
Die Synchronisierung von Uhren wirkt sich auf viele Bereiche unmittelbar aus. Insbesondere trägt sie dazu bei, dass Nachhandelstransparenzdaten problemlos von konsolidierten Datentickern übernommen werden können. Sie bildet auch eine wesentliche Voraussetzung für die Überwachung von Aufträgen über mehrere Handelsplätze hinweg sowie für die Aufdeckung von Marktmissbrauch und ermöglicht einen eindeutigeren Abgleich des Geschäfts mit den zum Zeitpunkt seiner Ausführung herrschenden Marktbedingungen.
(2)
Die Zahl der Aufträge, die pro Sekunde bei einem Handelsplatz eingehen, kann sehr hoch sein und die ausgeführten Geschäfte bei Weitem übertreffen. Je nach Handelsplatz, der Art seiner Mitglieder, Teilnehmer oder Kunden und der Volatilität und Liquidität der Finanzinstrumente beträgt sie bisweilen mehrere Tausend pro Sekunde. Eine Granularität von einer Sekunde würde demnach für bestimmte Arten von Handelstätigkeiten zu Zwecken der Marktüberwachung nicht ausreichen, um Marktmanipulationen wirksam zu verhindern. Aus diesem Grund ist es erforderlich, für die Aufzeichnung des Datums und der Uhrzeit meldepflichtiger Ereignisse durch die Betreiber von Handelsplätzen und ihre Mitglieder oder Teilnehmer Mindestanforderungen an die Granularität festzulegen.
(3)
Die zuständigen Behörden müssen in der Lage sein, sämtliche mit einem Auftrag in Zusammenhang stehende Ereignisse während der gesamten Auftragsdauer in der richtigen zeitlichen Abfolge zu rekonstruieren. Sie müssen diese Ereignisse über mehrere Handelsplätze hinweg konsolidieren können, um letztere übergreifend wirksam auf Marktmissbrauch zu überwachen. Aus diesem Grund ist es erforderlich, eine gemeinsame Referenzzeit und Regeln über die maximale Abweichung von dieser Zeit festzulegen, um zu gewährleisten, dass alle Betreiber von Handelsplätzen und ihre Mitglieder oder Teilnehmer bei der Aufzeichnung von Datum und Uhrzeit die gleiche Zeitquelle und einheitliche Standards verwenden. Außerdem ist sicherzustellen, dass genaue Zeitstempel verwendet werden, damit die zuständigen Behörden meldepflichtige Ereignisse, die andernfalls augenscheinlich zum gleichen Zeitpunkt stattfanden, auseinanderhalten können.
(4)
Allerdings gibt es auch Handelsmodelle, für die ein höherer Grad an Genauigkeit möglicherweise nicht relevant oder machbar wäre. Sprachbasierte Handelssysteme oder Preisanfragesysteme, deren Antworten menschliches Eingreifen voraussetzen oder die keinen algorithmischen Handel zulassen, oder Systeme, die ausgehandelte Geschäfte formalisieren, sollten anderen Genauigkeitsstandards unterliegen. An Handelsplätzen, die solche Handelssysteme betreiben, tritt in der Regel nicht innerhalb ein und derselben Sekunde eine hohe Zahl an Ereignissen auf, so dass es sich aufgrund der geringeren Wahrscheinlichkeit des gleichzeitigen Eintretens mehrerer Ereignisse erübrigt, für die Zeitstempel der dortigen Ereignisse eine feinere Granularität vorzuschreiben. Darüber hinaus werden auf solchen Handelsplätzen Geschäfte auch mit manuellen Methoden abgestimmt, so dass ihre Vereinbarung mit einem höheren Zeitaufwand verbunden sein kann. Da außerdem auf solchen Handelsplätzen zwischen der Ausführung des Geschäfts und seiner Aufzeichnung im Handelssystem naturgegeben ein zeitlicher Abstand besteht, würde die Einführung strengerer Genauigkeitsanforderungen nicht unbedingt dazu führen, dass der Betreiber des Handelsplatzes und seine Mitglieder oder Teilnehmer aussagekräftigere und genauere Aufzeichnungen vornehmen.
(5)
Die zuständigen Behörden müssen nachvollziehen können, wie die Handelsplätze und ihre Mitglieder oder Teilnehmer die Rückverfolgbarkeit auf die koordinierte Weltzeit (UTC) sicherstellen. Denn die verschiedenen Systeme sind komplex und die Synchronisierung mit der UTC kann durch eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden erfolgen. Da Uhrenfehler durch zahlreiche verschiedene Faktoren ausgelöst werden können, ist es auch ratsam, eine Obergrenze für die zulässige Abweichung von der UTC festzulegen.
(6)
Aus Gründen der Konsistenz und im Interesse reibungslos funktionierender Finanzmärkte sollten die in dieser Verordnung niedergelegten Bestimmungen und die damit zusammenhängenden nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2014/65/EU vom selben Tag an gelten.
(7)
Diese Verordnung stützt sich auf die Entwürfe technischer Regulierungsstandards, die der Kommission von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) vorgelegt wurden.
(8)
Die ESMA hat zu diesen Entwürfen offene öffentliche Konsultationen durchgeführt, die damit verbundenen potenziellen Kosten- und Nutzeffekte analysiert und die Stellungnahme der nach Artikel 37 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) eingesetzten Interessengruppe Wertpapiere und Wertpapiermärkte eingeholt —

Art. 1 Referenzzeit

Betreiber von Handelsplätzen und ihre Mitglieder oder Teilnehmer synchronisieren die im Geschäftsverkehr zur Aufzeichnung von Datum und Uhrzeit meldepflichtiger Ereignisse verwendeten Uhren mit der koordinierten Weltzeit (UTC), die von den Zeitzentren herausgegeben und verwaltet wird, welche das Bureau international des poids et mesures (Internationales Büro für Maß und Gewicht) in seinem jeweils aktuellen Jahresbericht „Annual Report on Time Activities“ aufführt. ²Betreiber von Handelsplätzen und ihre Mitglieder oder Teilnehmer dürfen die im Geschäftsverkehr zur Aufzeichnung von Datum und Uhrzeit meldepflichtiger Ereignisse verwendeten Uhren auch mit der von einem Satellitensystem verbreiteten UTC synchronisieren, sofern jede Abweichung von der UTC ausgeglichen und der Zeitstempel um diese bereinigt wird.

Art. 2 Grad an Genauigkeit für Betreiber von Handelsplätzen

(1) 

Betreiber von Handelsplätzen gewährleisten, dass die von ihnen im Geschäftsverkehr verwendeten Uhren in Abhängigkeit von den Gateway-to-Gateway-Latenzzeiten ihrer Handelssysteme den in Tabelle 1 des Anhangs angegebenen Genauigkeitsgraden entsprechen.

Die Gateway-to-Gateway-Latenzzeit ist die Zeit vom Moment des Eingangs der Auftragsmeldung beim äußeren Gateway des vom Handelsplatz verwendeten Handelssystems bis zum Moment des Abschickens der Bestätigung durch das Gateway, nachdem die Auftragsmeldung durch das Auftragseingangsprotokoll geschickt, von der Matching-Engine verarbeitet und zurückgeschickt wurde.

(2) Abweichend von Absatz 1 gewährleisten Betreiber von Handelsplätzen, die ein sprachbasiertes Handelssystem, ein Preisanfragesystem, dessen Antworten menschliches Eingreifen voraussetzen oder die keinen algorithmischen Handel zulassen, oder ein System zur Formalisierung ausgehandelter Geschäfte im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) verwenden, dass die im Geschäftsverkehr verwendeten Uhren höchstens eine Sekunde von der in Artikel 1 der vorliegenden Verordnung genannten UTC abweichen. ²Der Betreiber des Handelsplatzes stellt sicher, dass die Zeiten mit einer Granularität von mindestens einer Sekunde aufgezeichnet werden.

(3) Betreiber von Handelsplätzen, die mehrere Arten von Handelssystemen betreiben, stellen sicher, dass alle diese Systeme dem nach den Absätzen 1 und 2 jeweils anwendbaren Grad an Genauigkeit entsprechen.

Art. 3 Grad an Genauigkeit für Mitglieder oder Teilnehmer eines Handelsplatzes

(1) Mitglieder oder Teilnehmer von Handelsplätzen stellen sicher, dass die von ihnen im Geschäftsverkehr zur Aufzeichnung meldepflichtiger Ereignisse verwendeten Uhren dem in Tabelle 2 des Anhangs aufgeführten Grad an Genauigkeit entsprechen.

(2) Mitglieder oder Teilnehmer von Handelsplätzen, die mehrere Arten von Handelstätigkeiten ausüben, stellen sicher, dass die Systeme, die sie zur Aufzeichnung meldepflichtiger Ereignisse verwenden, den für die jeweilige Handelstätigkeit anwendbaren Graden an Genauigkeit entsprechen, die in Tabelle 2 des Anhangs niedergelegt sind.

Art. 4 Einhaltung der Vorschriften über die maximal zulässige Abweichung

Betreiber von Handelsplätzen und ihre Mitglieder oder Teilnehmer führen ein System der Rückverfolgbarkeit auf die UTC ein. ²Sie müssen in der Lage sein, die Rückverfolgbarkeit auf die UTC anhand des Designs, der Funktionen und der Spezifikationen des Systems zu belegen. ³Sie müssen präzise angeben können, an welcher Stelle im System der Zeitstempel vergeben wird, und den Nachweis erbringen, dass diese Stelle konsistent bleibt. Sie müssen die Vereinbarkeit des Rückverfolgbarkeitssystems mit dieser Verordnung mindestens einmal jährlich überprüfen.

Art. 5 Inkrafttreten und Anwendung

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Sie gilt ab dem 3. Januar 2018.

ANHANG

Tabelle 1

Grad an Genauigkeit für Betreiber von Handelsplätzen

Gateway-to-Gateway-Latenzzeit des HandelssystemsMaximal zulässige Abweichung von der UTCGranularität des Zeitstempels
> 1 Millisekunde1 Millisekunde1 Millisekunde oder feiner
≤ 1 Millisekunde100 Mikrosekunden1 Mikrosekunde oder feiner


Tabelle 2

Grad an Genauigkeit für Mitglieder oder Teilnehmer eines Handelsplatzes

Art der HandelstätigkeitBeschreibungMaximal zulässige Abweichung von der UTCGranularität des Zeitstempels
Tätigkeit unter Verwendung einer hochfrequenten algorithmischen HandelstechnikHochfrequente algorithmische Handelstechnik100 Mikrosekunden1 Mikrosekunde oder feiner
Tätigkeit unter Verwendung sprachbasierter HandelssystemeSprachbasierte Handelssysteme im Sinne von Artikel 5 Absatz 5 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/583 der Kommission (1)1 Sekunde1 Sekunde oder feiner
Tätigkeit unter Verwendung von Preisanfragesystemen, deren Antworten menschliches Eingreifen voraussetzen oder die keinen algorithmischen Handel zulassenPreisanfragesysteme im Sinne von Artikel 5 Absatz 4 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/5831 Sekunde1 Sekunde oder feiner
Tätigkeit unter Verwendung von Systemen zur Formalisierung ausgehandelter GeschäfteAusgehandelte Geschäfte im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 600/2014.1 Sekunde1 Sekunde oder feiner
Sonstige HandelstätigkeitenAlle sonstigen, in dieser Tabelle nicht aufgeführten Handelstätigkeiten1 Millisekunde1 Millisekunde oder feiner

  Delegierte Verordnung (EU) 2017/583 der Kommission vom 14. Juli 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards zu den Transparenzanforderungen für Handelsplätze und Wertpapierfirmen in Bezug auf Anleihen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate (siehe Seite 229 dieses Amtsblatts).

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