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Schengener Grenzkodex

Schengener Grenzkodex

Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex)

ANHANG VI

ANHANG VI

Sonderbestimmungen für die unterschiedlichen Grenzarten und die für das Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten genutzten unterschiedlichen Fortbewegungsmittel

1.   Landgrenzen

1.1.   Kontrolle des Straßenverkehrs

1.1.1.Zur Gewährleistung einer effektiven Personenkontrolle und zugleich einer gefahrlosen und flüssigen Abwicklung des Straßenverkehrs ist auf eine zweckmäßige Verkehrsregelung an den Grenzübergangsstellen zu achten. Soweit erforderlich, können die Mitgliedstaaten bilaterale Abkommen über Verkehrslenkungs- und Absperrmaßnahmen schließen. Sie unterrichten die Kommission gemäß Artikel 42 darüber.
1.1.2.An den Landgrenzen können die Mitgliedstaaten, sofern sie es für zweckmäßig halten und die Umstände es zulassen, an bestimmten Grenzübergangsstellen gemäß Artikel 10 getrennte Kontrollspuren einrichten.Die Benutzung getrennter Kontrollspuren kann von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten jederzeit ausgesetzt werden, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen oder die Verkehrs- und Infrastrukturverhältnisse es erfordern.
Die Mitgliedstaaten können bei der Einrichtung getrennter Kontrollspuren an Außengrenzübergangsstellen mit Nachbarländern zusammenarbeiten.
1.1.3.Personen, die in Kraftfahrzeugen reisen, können im Regelfall während des Kontrollvorgangs im Kraftfahrzeug verbleiben. Wenn die Umstände dies verlangen, können sie jedoch aufgefordert werden, ihr Fahrzeug zu verlassen. Eingehende Kontrollen erfolgen, soweit die örtlichen Gegebenheiten dies zulassen, auf dafür vorgesehenen Kontrollplätzen. Aus Gründen der Eigensicherung werden die Kontrollen möglichst von zwei Grenzschutzbeamten durchgeführt.
1.1.4.Gemeinsame Grenzübergangsstellen
1.1.4.1.
Die Mitgliedstaaten dürfen bilaterale Abkommen mit benachbarten Drittstaaten über die Einrichtung gemeinsamer Grenzübergangsstellen schließen oder beibehalten, an denen Grenzschutzbeamte des Mitgliedstaats und Grenzschutzbeamte des Drittstaats nacheinander im Hoheitsgebiet der anderen Partei Ausreise- und Einreisekontrollen nach ihrem nationalen Recht vornehmen. Gemeinsame Grenzübergangsstellen können entweder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder im Hoheitsgebiet eines Drittstaats eingerichtet werden.
1.1.4.2.
Gemeinsame Grenzübergangsstellen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats: Bilaterale Abkommen über die Einrichtung gemeinsamer Grenzübergangsstellen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats müssen eine Klausel enthalten, die es Grenzschutzbeamten aus Drittstaaten erlaubt, unter Beachtung folgender Grundsätze ihre Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat auszuüben:
a)
Internationaler Schutz: einem Drittstaatsangehörigen, der im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats internationalen Schutz beantragt, muss entsprechend dem Besitzstand der Union im Asylbereich Zugang zu den einschlägigen Verfahren des Mitgliedstaats gewährt werden.
b)
Verhaftung einer Person oder Beschlagnahme von Vermögenswerten: kommen Grenzschutzbeamten eines Drittstaats Umstände zur Kenntnis, die die Verhaftung oder Ingewahrsamnahme einer Person oder die Beschlagnahme von Vermögenswerten rechtfertigen, so informieren sie die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats über diese Umstände; diese Behörden stellen sicher, dass unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Betroffenen die erforderlichen Maßnahmen unter Beachtung des nationalen und internationalen Rechts und des Unionsrechts getroffen werden.
c)
Personen, die nach Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben: die Grenzschutzbeamten des Drittstaats dürfen Personen, die nach dem Unionsrecht Anspruch auf freien Personenverkehr haben, nicht an der Einreise in das Gebiet der Union hindern. Wäre eine Verweigerung der Ausreise aus dem betreffenden Drittstaat durch bestimmte Umstände gerechtfertigt, informieren die Grenzschutzbeamten des Drittstaats die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats über diese Umstände; diese Behörden stellen sicher, dass die erforderlichen Maßnahmen unter Beachtung des nationalen und internationalen Rechts und des Unionsrechts getroffen werden.
1.1.4.3.
Gemeinsame Grenzübergangsstellen im Hoheitsgebiet eines Drittstaats: bilaterale Abkommen über die Einrichtung gemeinsamer Grenzübergangsstellen im Hoheitsgebiet eines Drittstaats müssen eine Klausel enthalten, die es den Grenzschutzbeamten des Mitgliedstaats erlaubt, ihre Tätigkeit in dem betreffenden Drittstaat auszuüben. Für die Zwecke dieser Verordnung gilt jede Kontrolle, die von Grenzschutzbeamten eines Mitgliedstaats in einer im Hoheitsgebiet eines Drittstaats gelegenen gemeinsamen Grenzübergangsstelle durchgeführt wird, als eine im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats durchgeführte Kontrolle. Die Grenzschutzbeamten aus Mitgliedstaaten üben ihre Tätigkeit unter Beachtung dieser Verordnung und folgender Grundsätze in dem Drittstaat aus:
a)
Internationaler Schutz: ein Drittstaatsangehöriger, der die von Grenzschutzbeamten des Drittstaats vorgenommene Ausreisekontrolle passiert hat und anschließend bei im Hoheitsgebiet des Drittstaats anwesenden Grenzschutzbeamten des Mitgliedstaats internationalen Schutz beantragt, muss entsprechend dem Besitzstand der Union im Asylbereich Zugang zu den einschlägigen Verfahren des Mitgliedstaats gewährt werden. Die Behörden des Drittstaats müssen die Überführung des Betroffenen in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats zulassen.
b)
Verhaftung einer Person oder Beschlagnahme von Vermögenswerten: kommen Grenzschutzbeamten eines Mitgliedstaats Umstände zur Kenntnis, die die Verhaftung oder Ingewahrsamnahme einer Person oder die Beschlagnahme von Vermögenswerten rechtfertigen, werden sie im Einklang mit dem nationalen und internationalen Recht und dem Unionsrecht tätig. Die Behörden des Drittstaats müssen die Überführung des Betroffenen oder des Vermögenswertes in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats zulassen.
c)
Zugang zu IT-Systemen: die Grenzschutzbeamten der Mitgliedstaaten müssen fähig sein, Informationssysteme zur Verarbeitung personenbezogener Daten nach Artikel 8 zu nutzen. Den Mitgliedstaaten ist gestattet, die nach Unionsrecht erforderlichen technischen und organisatorischen Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, um personenbezogene Daten vor zufälliger oder unrechtmäßiger Zerstörung, zufälligem Verlust, unberechtigter Änderung, unberechtigter Weitergabe oder unberechtigtem Zugang, einschließlich des Zugangs durch Behörden von Drittstaaten, zu schützen.
1.1.4.4.
Vor Abschluss oder Änderung eines bilateralen Abkommens über gemeinsame Grenzübergangsstellen mit einem benachbarten Drittstaat befragt der betreffende Mitgliedstaat die Kommission zur Vereinbarkeit des Abkommens mit dem Unionsrecht. Bereits geltende bilaterale Abkommen werden der Kommission bis 20. Januar 2014 mitgeteilt.
Ist das Abkommen nach Meinung der Kommission mit dem Unionsrecht nicht vereinbar, so teilt sie dies dem betreffenden Mitgliedstaat mit. Der Mitgliedstaat ergreift innerhalb eines angemessenen Zeitraums die erforderlichen Maßnahmen zur Änderung des Abkommens, mit der dieses mit dieser Verordnung in Einklang gebracht wird.

1.2.   Kontrolle des Eisenbahnverkehrs

1.2.1.Bei dem die Außengrenzen überschreitenden Eisenbahnverkehr werden sowohl die Fahrgäste als auch die Bahnbediensteten, einschließlich derjenigen in Güterzügen oder Leerzügen, einer Kontrolle unterzogen. Die Mitgliedstaaten dürfen unter Beachtung der unter Nummer 1.1.4 genannten Grundsätze bilaterale oder multilaterale Abkommen über die praktische Durchführung dieser Kontrollen schließen. Diese Kontrollen werden nach einem der nachstehenden Verfahren durchgeführt:
Kontrolle am ersten Ankunftsbahnhof bzw. am letzten Abfahrtsbahnhof im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats,
Kontrolle während der Fahrt im Zug zwischen dem letzten Abfahrtsbahnhof in einem Drittstaat und dem ersten Ankunftsbahnhof im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder umgekehrt,
Kontrolle am letzten Abfahrtsbahnhof bzw. am ersten Ankunftsbahnhof im Hoheitsgebiet eines Drittstaats.
1.2.2.Zur Erleichterung des Hochgeschwindigkeits-Personenzugverkehrs können die Mitgliedstaaten, über deren Hoheitsgebiet die Zugstrecke von Hochgeschwindigkeitszügen aus Drittstaaten verläuft, im Einvernehmen mit den betreffenden Drittstaaten und unter Beachtung der unter Nummer 1.1.4 genannten Grundsätze ferner beschließen, bei Personen in Zügen aus Drittstaaten nach einem der nachstehenden Verfahren Einreisekontrollen vorzunehmen:
in den Bahnhöfen eines Drittstaats, in denen diese Fahrgäste den Zug besteigen,
in den Bahnhöfen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, in denen diese Fahrgäste den Zug verlassen,
während der Fahrt im Zug zwischen den Bahnhöfen im Hoheitsgebiet eines Drittstaats und den im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gelegenen Bahnhöfen, sofern diese Fahrgäste im Zug bleiben.
1.2.3.Ist es dem Bahnbeförderungsunternehmen bei Hochgeschwindigkeitszügen aus Drittstaaten mit mehreren Halten im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gestattet, Fahrgäste ausschließlich für den im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gelegenen restlichen Streckenabschnitt zusteigen zu lassen, so unterliegen diese im Zug oder am Ankunftsbahnhof einer Einreisekontrolle, sofern keine Kontrollen nach Nummer 1.2.1 oder Nummer 1.2.2 erster Gedankenstrich erfolgt sind.Personen, die Züge ausschließlich für den im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gelegenen restlichen Streckenabschnitt benutzen wollen, werden vor Fahrtantritt eindeutig darauf hingewiesen, dass sie während der Fahrt oder am Ankunftsbahnhof einer Einreisekontrolle unterzogen werden.
1.2.4.Bei Reisen in umgekehrter Fahrtrichtung werden die Personen an Bord eines Zuges einer Ausreisekontrolle nach vergleichbaren Regelungen unterzogen.
1.2.5.Der Grenzschutzbeamte kann anordnen, dass erforderlichenfalls mit Unterstützung des Zugführers Hohlräume in den Eisenbahnwagen daraufhin überprüft werden, ob der Grenzübertrittskontrolle unterliegende Personen oder Sachen darin versteckt sind.
1.2.6.Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass sich im Zug Personen, die ausgeschrieben sind oder der Begehung einer Straftat verdächtigt werden, oder Drittstaatsangehörige mit der Absicht der illegalen Einreise versteckt halten, so unterrichtet der Grenzschutzbeamte, wenn er nach den nationalen Vorschriften nicht einschreiten darf, die Mitgliedstaaten, in oder durch die der Zug fährt.

2.   Luftgrenzen

2.1.   Kontrollmodalitäten in internationalen Flughäfen

2.1.1.
Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Flughafenunternehmer die erforderlichen Maßnahmen trifft, um die Passagierströme von Binnenflügen und jene von sonstigen Flügen physisch zu trennen. Zu diesem Zweck werden in allen internationalen Flughäfen geeignete Infrastrukturen geschaffen.
2.1.2.
Der Ort, an dem die Grenzübertrittskontrollen durchgeführt werden, bestimmt sich nach folgendem Verfahren:
a)
Fluggäste, die von Flügen aus Drittstaaten auf Binnenflüge umsteigen, unterliegen einer Einreisekontrolle im Ankunftsflughafen des Drittstaatfluges. Fluggäste, die von Binnenflügen auf Flüge nach Drittstaaten umsteigen (Transferfluggäste), unterliegen einer Ausreisekontrolle im Ausgangsflughafen des Drittstaatfluges.
b)
Für Drittstaatsflüge ohne Transferfluggäste und solche mit mehreren Zwischenlandungen auf Flughäfen der Mitgliedstaaten ohne Luftfahrzeugwechsel gilt:
i)
Fluggäste von Drittstaatsflügen ohne vorherigen oder anschließenden Transfer im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten unterliegen einer Einreisekontrolle im Ankunftsflughafen und einer Ausreisekontrolle im Ausreiseflughafen.
ii)
Fluggäste von Drittstaatsflügen mit mehreren Zwischenlandungen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ohne Luftfahrzeugwechsel (Transitfluggäste) und ohne Zustieg von Fluggästen auf dem Streckenabschnitt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten unterliegen einer Einreisekontrolle im Ankunftsflughafen und einer Ausreisekontrolle im Ausgangsflughafen.
iii)
Darf der Beförderungsunternehmer bei Flügen aus Drittstaaten mit mehreren Zwischenlandungen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten Fluggäste ausschließlich für den restlichen Streckenabschnitt in diesem Gebiet aufnehmen, so unterliegen diese einer Ausreisekontrolle im Ankunftsflughafen und einer Einreisekontrolle im Ankunftsflughafen.

Die Kontrolle der bei diesen Zwischenlandungen bereits an Bord befindlichen und nicht im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zugestiegenen Fluggäste richtet sich nach Ziffer ii. Das umgekehrte Verfahren gilt für diese Kategorie von Flügen, wenn das Bestimmungsland ein Drittstaat ist.

2.1.3.
Die Grenzübertrittskontrollen werden im Regelfall nicht im Luftfahrzeug oder auf dem Flugsteig durchgeführt, außer wenn dies aufgrund einer Abwägung des Risikos im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit und der illegalen Einwanderung gerechtfertigt ist. Damit sichergestellt ist, dass Personen in den als Grenzübergangsstellen geltenden Flughäfen nach den Artikeln 7 bis 14 kontrolliert werden, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Flughafenbetreiber die erforderlichen Maßnahmen im Hinblick auf eine entsprechende Lenkung der Verkehrsströme in die Abfertigungsanlagen treffen.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Flughafenunternehmer die erforderlichen Maßnahmen trifft, um zu gewährleisten, dass nicht allgemein zugängliche Bereiche und Anlagen, zum Beispiel Transiträume, vor unberechtigtem Betreten und Verlassen gesichert werden. In Transiträumen werden im Regelfall keine Kontrollen durchgeführt, außer wenn dies aufgrund einer Abwägung des Risikos im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit und der illegalen Einwanderung gerechtfertigt ist; in Transiträumen können Kontrollen insbesondere bei Personen, die ein Flughafentransitvisum benötigen, durchgeführt werden, um nachzuprüfen, ob sie im Besitz eines solchen Visums sind.

2.1.4.
Muss bei höherer Gewalt, bei Gefahr im Verzug oder auf behördliche Weisung ein Luftfahrzeug auf einem Flug aus einem Drittstaat auf einem Flugplatz landen, der keine Grenzübergangsstelle ist, so bedarf der Weiterflug der Zustimmung der Grenzschutzbeamten und der Zollbehörden. Dasselbe gilt, wenn ein aus einem Drittstaat kommendes Luftfahrzeug unerlaubt landet. Für die Kontrolle der Insassen dieser Luftfahrzeuge gelten in jedem Fall die Artikel 7 bis 14.

2.2.   Kontrollmodalitäten auf Landeplätzen

2.2.1.
Es ist sicherzustellen, dass auch auf Flugplätzen, die nach dem jeweiligen nationalen Recht nicht den Status eines internationalen Flughafens haben, jedoch für Flüge in oder aus Drittstaaten amtlich freigegeben sind („Landeplätze“), Personenkontrollen nach den Artikeln 7 bis 14 durchgeführt werden.
2.2.2.
Abweichend von Nummer 2.1.1 und unbeschadet der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates  kann auf Landeplätzen auf Einrichtungen für eine physische Trennung zwischen Fluggästen von Binnenflügen und sonstigen Flügen verzichtet werden. Zudem ist bei geringem Verkehrsaufkommen die ständige Anwesenheit von Grenzschutzbeamten nicht erforderlich, sofern gewährleistet ist, dass die Kräfte im Bedarfsfall rechtzeitig herangeführt werden können.
2.2.3.
Befinden sich nicht ständig Grenzschutzbeamte auf einem Landeplatz, so unterrichtet der Landeplatzbetreiber die Grenzschutzbeamten frühzeitig über den An- und Abflug von Flugzeugen im Drittstaatsflugverkehr.

2.3.   Personenkontrollen bei Privatflügen

2.3.1.
Im Falle von Privatflügen aus oder in Drittstaaten übermittelt der Flugkapitän den Grenzschutzbeamten des Bestimmungsmitgliedstaats und gegebenenfalls des Mitgliedstaats der ersten Einreise vor dem Abflug eine allgemeine Erklärung, die insbesondere einen Flugplan gemäß Anlage 2 zum Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt und Angaben zur Identität der Fluggäste enthält.
2.3.2.
Bei Privatflügen aus einem Drittstaat in einen Mitgliedstaat mit Zwischenlandung im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten führen die zuständigen Behörden des Einreisemitgliedstaats Grenzübertrittskontrollen durch und versehen die allgemeine Erklärung nach Nummer 2.3.1 mit einem Einreisestempel.
2.3.3.
Bei Flügen, bei denen nicht zweifelsfrei feststellbar ist, ob sie ausschließlich von und nach dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ohne Landung im Hoheitsgebiet eines Drittstaats stattgefunden haben, führen die zuständigen Behörden auf den Flughäfen und Landeplätzen Personenkontrollen gemäß den Nummern 2.1 und 2.2 durch.
2.3.4.
Der Ein- und Abflug von Segelflugzeugen, Ultraleichtflugzeugen, Hubschraubern und selbst gebauten Luftfahrzeugen, mit denen nur kurze Distanzen zurückgelegt werden können, sowie Freiballonen bestimmt sich nach dem nationalen Recht und gegebenenfalls bilateralen Abkommen.

3.   Seegrenzen

3.1.   Allgemeine Kontrollverfahren im Seeverkehr

3.1.1.
Die Kontrolle erfolgt im Ankunfts- oder im Abfahrtshafen oder in einer in unmittelbarer Nähe des Schiffes dazu vorgesehenen Anlage oder an Bord des Schiffes im Küstenmeer, wie dieses im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen definiert ist. Die Mitgliedstaaten dürfen Abkommen schließen, nach denen unter Beachtung der unter Nummer 1.1.4 genannten Grundsätze Kontrollen auch während der Fahrt oder bei der Ankunft oder der Abfahrt des Schiffes im Hoheitsgebiet eines Drittstaats zulässig sind.
3.1.2.
Der Schiffsführer, der Schiffsagent oder eine andere vom Schiffsführer dazu ermächtigte oder in einer für die betreffende Behörde akzeptablen Weise authentifizierte Person (beide werden im Folgenden als „Schiffsführer“ bezeichnet) erstellt eine Liste der Besatzung und gegebenenfalls der Passagiere; die Liste enthält die Informationen, die nach den Formularen 5 (Besatzungsliste) und 6 (Passagierliste) des Übereinkommens zur Erleichterung des internationalen Seeverkehrs (FAL-Übereinkommen) erforderlich sind, sowie gegebenenfalls die Nummern der Visa oder der Aufenthaltstitel und ihre Erstellung erfolgt
spätestens 24 Stunden vor Ankunft im Hafen,
spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem das Schiff aus dem vorigen Hafen ausläuft, sofern die Reisezeit weniger als 24 Stunden beträgt, oder
falls der Anlaufhafen nicht bekannt ist oder während der Reise geändert wird, sobald diese Information vorliegt.

Der Schiffsführer übersendet die Liste(n) an die Grenzschutzbeamten oder, sofern nach einzelstaatlichem Recht vorgesehen, die anderen zuständigen Behörden, die diese unverzüglich an die Grenzschutzbeamten weiterleiten.

3.1.3.
Die Grenzschutzbeamten oder die Behörden nach Nummer 3.1.2. händigen dem Schiffsführer eine Empfangsbestätigung (eine unterzeichnete Ausfertigung der Liste(n) oder eine elektronische Empfangsbestätigung) aus, die von diesem während der Liegezeit im Hafen auf Anfrage vorgelegt wird.
3.1.4.
Der Schiffsführer unterrichtet die zuständigen Behörden unverzüglich über alle Änderungen in der Zusammensetzung der Besatzung oder der Zahl der Passagiere.

Der Schiffsführer unterrichtet die zuständigen Behörden darüber hinaus innerhalb der unter Nummer 3.1.2 genannten Frist über die Anwesenheit blinder Passagiere an Bord. Blinde Passagiere bleiben jedoch unter der Verantwortlichkeit des Schiffsführers.

Abweichend von den Artikeln 5 und 8 werden Personen an Bord keinen systematischen Grenzkontrollen unterzogen. Jedoch nehmen die Grenzschutzbeamten nur dann eine Durchsuchung des Schiffes und Personenkontrollen bei den an Bord befindlichen Personen vor, wenn dies aufgrund einer Bewertung des Risikos für die innere Sicherheit und des Risikos der illegalen Einwanderung gerechtfertigt ist.

3.1.5.
Der Schiffsführer teilt der zuständigen Behörde rechtzeitig unter Beachtung der Hafenordnung die Abfahrtszeit des Schiffes mit.

3.2.   Spezifische Kontrollmodalitäten für bestimmte Arten der Seeschifffahrt

Kreuzfahrtschiffe

3.2.1.
Der Schiffsführer des Kreuzfahrtschiffes übermittelt der zuständigen Behörde die Route und das Programm der Kreuzfahrt, sobald die Route und das Programm festgelegt wurden, spätestens jedoch innerhalb der unter Nummer 3.1.2 genannten Frist.
3.2.2.
Umfasst die Route eines Kreuzfahrtschiffs ausschließlich Häfen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, so werden abweichend von den Artikeln 5 und 8 keine Grenzübertrittskontrollen durchgeführt und kann das Kreuzfahrtschiff Häfen anlaufen, die keine Grenzübergangsstellen sind.

Die Besatzung und die Passagiere dieser Schiffe werden jedoch nur dann Kontrollen unterzogen, wenn dies aufgrund einer Bewertung des Risikos für die innere Sicherheit und des Risikos der illegalen Einwanderung gerechtfertigt ist.

3.2.3.
Umfasst die Route eines Kreuzfahrtschiffes sowohl Häfen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten als auch Häfen in Drittstaaten, so werden abweichend von Artikel 8 Grenzübertrittskontrollen wie folgt durchgeführt:
a)
Läuft ein Kreuzfahrtschiff aus einem in einem Drittstaat gelegenen Hafen zum ersten Mal in einen Hafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates ein, so werden die Besatzung und die Passagiere einer Einreisekontrolle anhand der Nominallisten der Besatzung und der Passagiere gemäß der Nummer 3.1.2 unterzogen.

Passagiere, die an Land gehen, werden einer Einreisekontrolle gemäß Artikel 8 unterzogen, es sei denn, die Abwägung des Risikos im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit und der illegalen Einwanderung ergibt, dass es nicht erforderlich ist, solche Kontrollen durchzuführen.

b)
Läuft das aus einem Hafen in einem Drittstaat kommende Kreuzfahrtschiff nochmals einen Hafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats an, so werden die Besatzung und die Passagiere einer Einreisekontrolle anhand der Nominallisten der Besatzung und der Passagiere gemäß der Nummer 3.1.2 unterzogen, sofern diese Listen geändert wurden, seit das Kreuzfahrtschiff in dem vorangehenden, im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates gelegenen Hafen eingelaufen ist.

Passagiere, die an Land gehen, werden einer Einreisekontrolle gemäß Artikel 8 unterzogen, es sei denn, die Abwägung des Risikos im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit und der illegalen Einwanderung ergibt, dass es nicht erforderlich ist, solche Kontrollen durchzuführen.

c)
Läuft das aus einem Hafen in einem Mitgliedstaat kommende Kreuzfahrtschiff einen anderen Hafen in einem Mitgliedstaat an, so werden die an Land gehenden Passagiere einer Einreisekontrolle gemäß Artikel 8 unterzogen, wenn dies aufgrund einer Abwägung des Risikos im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit und der illegalen Einwanderung erforderlich ist.
d)
Läuft ein Kreuzfahrtschiff aus einem in einem Mitgliedstaat gelegenen Hafen in Richtung eines Hafens in einem Drittstaat aus, so werden die Besatzung und die Passagiere einer Ausreisekontrolle anhand der Nominallisten der Besatzung und der Passagiere unterzogen.

Wenn dies aufgrund einer Abwägung des Risikos im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit und der illegalen Einwanderung erforderlich ist, werden die einschiffenden Passagiere einer Ausreisekontrolle gemäß Artikel 8 unterzogen.

e)
Läuft ein Kreuzfahrtschiff aus einem in einem Mitgliedstaat gelegenen Hafen in Richtung eines anderen Hafens in einem Mitgliedstaat aus, so werden keine Ausreisekontrollen durchgeführt.

Die Besatzung und die Passagiere dieser Schiffe werden jedoch nur dann Kontrollen unterzogen, wenn dies aufgrund einer Bewertung des Risikos für die innere Sicherheit und des Risikos der illegalen Einwanderung gerechtfertigt ist.

Vergnügungsschifffahrt

3.2.4.
Abweichend von den Artikeln 5 und 8 werden Personen an Bord von Vergnügungsschiffen, die einen in einem Mitgliedstaat gelegenen Hafen anlaufen oder aus einem solchen Hafen kommen, keinen Grenzübertrittskontrollen unterzogen und können in einen Hafen, der keine Grenzübergangsstelle ist, einreisen.

In Abwägung des Risikos der illegalen Einwanderung und insbesondere wenn sich die Küste eines Drittstaats in unmittelbarer Nähe des Hoheitsgebiets des betreffenden Mitgliedstaats befindet, werden diese Personen jedoch einer Kontrolle unterzogen und/oder die Vergnügungsschiffe durchsucht.

3.2.5.
Abweichend von Artikel 5 kann ein aus einem Drittstaat kommendes Vergnügungsschiff ausnahmsweise in einen Hafen, der keine Grenzübergangsstelle ist, einlaufen. In diesem Fall benachrichtigen die an Bord befindlichen Personen die Hafenbehörden, damit ihnen das Einlaufen in diesen Hafen gestattet wird. Die Hafenbehörden setzen sich mit den Behörden des nächstgelegenen Hafens, der als Grenzübergangsstelle ausgewiesen ist, in Verbindung, um die Ankunft des Schiffes anzukündigen. Die Meldung der Passagiere erfolgt durch Einreichung einer Liste der an Bord befindlichen Personen bei den Hafenbehörden. Diese Liste steht den Grenzschutzbeamten spätestens bei der Ankunft zur Verfügung.

Muss das aus einem Drittstaat kommende Vergnügungsschiff aufgrund höherer Gewalt in einem Hafen anlegen, der keine Grenzübergangsstelle ist, so setzen sich die Hafenbehörden mit den Behörden des nächstgelegenen Hafens, der als Grenzübergangsstelle ausgewiesen ist, in Verbindung, um die Anwesenheit des Schiffes zu melden.

3.2.6.
Bei dieser Kontrolle ist ein Dokument mit Angabe aller technischen Merkmale des Schiffes sowie der Namen der an Bord befindlichen Personen zu übergeben. Eine Kopie dieses Dokuments wird den Behörden des Einreise- und des Ausreisehafens ausgehändigt. Eine Kopie dieses Dokuments verbleibt bei den Bordpapieren, solange das Schiff sich in den Hoheitsgewässern eines der Mitgliedstaaten aufhält.

Küstenfischerei

3.2.7.
Abweichend von den Artikeln 5 und 8 unterliegt die Besatzung von Schiffen, die zur Küstenfischerei verwendet werden und täglich oder innerhalb von 36 Stunden in den Registerhafen oder einen anderen Hafen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zurückkehren, ohne in einem Hafen im Hoheitsgebiet eines Drittstaats anzulegen, keiner systematischen Kontrolle. Bei der Bestimmung der Häufigkeit der vorzunehmenden Kontrollen wird das Risiko der illegalen Einwanderung abgewogen, insbesondere wenn sich die Küste eines Drittstaats in unmittelbarer Nähe des Hoheitsgebiets des betreffenden Mitgliedstaats befindet. Entsprechend diesem Risiko werden Personenkontrollen und/oder eine Schiffsdurchsuchung durchgeführt.
3.2.8.
Die Besatzung von Schiffen, die zur Küstenfischerei verwendet werden und nicht in einem im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gelegenen Hafen eingetragen sind, wird gemäß den Bestimmungen über Seeleute kontrolliert.

Fährverbindungen

3.2.9.
Im Rahmen von Fährverbindungen zu Häfen in Drittstaaten finden Personenkontrollen statt. Es gelten folgende Bestimmungen:
a)
Nach Möglichkeit richten die Mitgliedstaaten getrennte Kontrollspuren nach Artikel 10 ein.
b)
Zu Fuß gehende Passagiere werden einzeln kontrolliert.
c)
Die Kontrolle von Pkw-Insassen erfolgt am Fahrzeug.
d)
Passagiere, die mit Autobussen reisen, werden wie zu Fuß gehende Passagiere behandelt. Sie verlassen den Bus, um die Einzelkontrolle zu ermöglichen.
e)
Die Kontrolle von Lkw-Fahrpersonal sowie etwaigen Begleitpersonen erfolgt am Fahrzeug. Grundsätzlich wird für eine von den sonstigen Passagieren getrennte Abfertigung gesorgt.
f)
Zur zügigen Abwicklung der Kontrollen ist eine angemessene Anzahl von Kontrollposten vorzusehen.
g)
Insbesondere zur Feststellung illegaler Einwanderer werden die von Passagieren benutzten Fortbewegungsmittel, gegebenenfalls die Ladung sowie sonstige mitgeführte Gegenstände, stichprobenartig durchsucht.
h)
Besatzungsmitglieder von Fähren werden wie Besatzungsmitglieder von Handelsschiffen behandelt.
i)
Nummer 3.1.2 (Pflicht zur Übermittlung von Besatzungs- und Passagierlisten) kommt nicht zur Anwendung. Wenn gemäß der Richtlinie 98/41/EG des Rates  eine Liste der an Bord befindlichen Personen erstellt werden muss, hat der Schiffsführer eine Kopie dieser Liste spätestens 30 Minuten nach Auslaufen aus einem Hafen eines Drittstaats der zuständigen Behörde des Ankunftshafens im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
3.2.10.
Nimmt eine aus einem Drittstaat kommende Fähre bei Fahrten mit mehr als einem Zwischenstopp im Gebiet der Mitgliedstaaten nur für den restlichen Streckenabschnitt in diesem Gebiet Passagiere an Bord, so müssen diese Passagiere am Abfahrtshafen einer Ausreisekontrolle und am Ankunftshafen einer Einreisekontrolle unterzogen werden.

Die Kontrolle der bei diesen Zwischenstopps bereits an Bord befindlichen und nicht im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zugestiegenen Personen erfolgt im Ankunftshafen. Das umgekehrte Verfahren gilt, wenn das Bestimmungsland ein Drittstaat ist.

Frachtverbindungen zwischen Mitgliedstaaten

3.2.11.
Abweichend von Artikel 8 werden bei Frachtverbindungen zur Beförderung von Gütern zwischen zwei oder mehr Häfen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ohne Fahrtunterbrechung in außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten gelegenen Häfen keine Grenzkontrollen durchgeführt.

Die Besatzung und die Passagiere dieser Schiffe werden jedoch Kontrollen unterzogen, wenn dies aufgrund einer Bewertung des Risikos für die innere Sicherheit und des Risikos der illegalen Einwanderung gerechtfertigt ist.

4.   Schifffahrt auf Binnengewässern

4.1.
Als „Schifffahrt auf Binnengewässern über Grenzen mit Drittstaaten“ gilt die Schifffahrt zu Erwerbszwecken oder Vergnügungsschifffahrt mit Schiffen aller Art, Booten sowie anderen schwimmenden Gegenständen auf Flüssen, Kanälen und Binnenseen.
4.2.
Auf Schiffen, die zu Erwerbszwecken betrieben werden, gelten als Besatzungsmitglieder oder ihnen gleichgestellte Personen der Schiffsführer, die Personen, die an Bord beschäftigt und in der Musterrolle eingetragen sind, sowie die Familienangehörigen dieser Personen, soweit sie an Bord wohnen.
4.3.
Die einschlägigen Bestimmungen der Nummern 3.1 und 3.2 gelten für die Kontrolle der Schifffahrt auf Binnengewässern entsprechend.