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Richtlinie (EG) 2002/47

Richtlinie (EG) 2002/47

Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten

Art. 1 Gegenstand

(1) Diese Richtlinie legt eine Gemeinschaftsregelung für die Finanzsicherheiten fest, die den Anforderungen der Absätze 2 und 5 genügen bzw. gemäß den Absätzen 4 und 5 bestellt wurden.

(2) 

Sowohl der Sicherungsnehmer als auch der Sicherungsgeber muss einer der folgenden Kategorien angehören:

a)
öffentlich-rechtliche Körperschaften, mit Ausnahme von Unternehmen, die mit einer öffentlichen Garantie ausgestattet sind, sofern sie nicht durch die Buchstaben b) bis e) erfasst werden, einschließlich
i)
der öffentlichen Stellen der Mitgliedstaaten, die für die Verwaltung der Schulden der öffentlichen Hand zuständig sind oder daran mitwirken, und
ii)
der öffentlichen Stellen der Mitgliedstaaten, die berechtigt sind, Konten für Kunden zu führen,

b)
Zentralbanken, die Europäische Zentralbank, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, multilaterale Entwicklungsbanken gemäß Anhang VI Teil 1 Abschnitt 4 der Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung) , der Internationale Währungsfonds und die Europäische Investitionsbank,

c)
beaufsichtigte Finanzinstitute, einschließlich der

i)
Kreditinstitute im Sinne von Artikel 4 Nummer 1 der Richtlinie 2006/48/EG einschließlich der in Artikel 2 derselben Richtlinie bezeichneten Institute,
ii)
Wertpapierfirmen im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 1 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente ,
iii)
Finanzinstitute im Sinne von Artikel 4 Nummer 5 der Richtlinie 2006/48/EG,
iv)
Versicherungsunternehmen im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung)  und Versicherungsunternehmen im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen ,

v)
Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) ,
vi)
Verwaltungsgesellschaften im Sinne von Artikel 1a Absatz 2 der Richtlinie 85/611/EWG,
d)
zentrale Vertragsparteien, Verrechnungsstellen und Clearingstellen im Sinne von Artikel 2 Buchstabe c) bzw. Buchstabe d) bzw. Buchstabe e) der Richtlinie 98/26/EG und vergleichbare Einrichtungen, die einer Aufsicht nach dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegen und für Terminkontrakt-, Options- und Derivatemärkte fungieren, soweit sie nicht bereits von der genannten Richtlinie erfasst werden sowie juristische Personen, die als Treuhänder oder Vertreter für eine oder mehrere Personen tätig sind, insbesondere für Anleihegläubiger oder Inhaber sonstiger verbriefter Forderungen oder für eine Einrichtung im Sinne der Buchstaben a) bis d),
e)
andere als natürliche Personen sowie Einzelkaufleute und Personengesellschaften, sofern die andere Vertragspartei eine Einrichtung im Sinne der Buchstaben a) bis d) ist.

(3) 

Die Mitgliedstaaten können Finanzsicherheiten aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausnehmen, wenn eine der Vertragsparteien der Kategorie unter Absatz 2 Buchstabe e) angehört.

Wenn ein Mitgliedstaat von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, teilt er dies der Kommission mit, welche die übrigen Mitgliedstaaten unterrichtet.

(4) 

a)
Finanzsicherheiten sind eine Barsicherheit, Finanzinstrumente oder Kreditforderungen.
b)
Die Mitgliedstaaten können Finanzsicherheiten aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausnehmen, wenn es sich dabei um eigene Anteile des Sicherungsgebers, Anteile an verbundenen Unternehmen im Sinne der Richtlinie 83/349/EWG vom 13. Juni 1983 über den konsolidierten Abschluss  oder Anteile an Unternehmen handelt, die ausschließlich dazu dienen, das Eigentum an zentralen Produktionsmitteln für den Geschäftsbetrieb des Sicherungsgebers oder an Immobilien innezuhaben.

c)
Die Mitgliedstaaten können vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie Kreditforderungen ausschließen, bei denen der Schuldner ein Verbraucher im Sinne von Artikel 3 Buchstabe a der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge  oder ein Kleinstunternehmen oder kleines Unternehmen im Sinne von Artikel 1 und Artikel 2 Absätze 2 und 3 des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen  ist, sofern es sich bei dem Sicherungsnehmer oder dem Sicherungsgeber dieser Kreditforderungen nicht um ein Institut gemäß Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b dieser Richtlinie handelt.

(5) 

Diese Richtlinie gilt für besitzgebundene Finanzsicherheiten, bei denen die Besitzverschaffung schriftlich nachgewiesen werden kann.

²Der Nachweis der Besitzverschaffung muss die Identifizierung der betreffenden Finanzsicherheit ermöglichen. ³Hierfür gilt u. a. als ausreichend, wenn im Effektengiro übertragbare Wertpapiere dem maßgeblichen Konto gutgeschrieben wurden oder ein entsprechendes Guthaben in solchen Wertpapieren besteht oder wenn die Barsicherheit einem bezeichneten Konto gutgeschrieben wurde oder ein entsprechendes Barguthaben besteht.  Bei Kreditforderungen ist die Aufnahme in eine Liste von Kreditforderungen, die dem Sicherungsnehmer in schriftlicher oder rechtlich gleichwertiger Form übermittelt wird, ausreichend, um die Forderung zu identifizieren und ihre Bestellung als Finanzsicherheit zwischen den Parteien nachzuweisen.

Unbeschadet des Unterabsatzes 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die Aufnahme in eine Liste von Kreditforderungen, die schriftlich oder in rechtlich gleichwertiger Form dem Sicherungsnehmer übermittelt wird, ebenfalls ausreicht, um die Forderung zu identifizieren und ihre Bestellung als Finanzsicherheit gegenüber dem Schuldner und/oder Dritten nachzuweisen.

Diese Richtlinie gilt für Finanzsicherheiten, deren Bestellung schriftlich oder in rechtlich gleichwertiger Form nachgewiesen werden kann.

(6) 

Die Artikel 4 bis 7 dieser Richtlinie gelten nicht für Beschränkungen der Durchsetzung von Sicherheitsvereinbarungen oder Beschränkungen der Wirksamkeit von Finanzsicherheitsvereinbarungen in Form eines beschränkten dinglichen Rechts, Glattstellungs-Saldierungsvereinbarungen oder Aufrechnungsvereinbarungen, die aufgrund des Titels IV Kapitel IV bzw. Kapitel V der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates auferlegt werden, oder für vergleichbare Beschränkungen, die durch ähnliche Befugnisse im Recht eines Mitgliedstaats auferlegt werden, damit Institute gemäß Absatz 2 Buchstabe c Ziffer iv sowie Institute gemäß Absatz 2 Buchstabe d, für die mindestens den in Titel IV Kapitel VI der Richtlinie 2014/59/EU genannten Garantien gleichwertige Sicherheiten vorgesehen sind, ordentlich aufgelöst werden können .

Art. 2 Begriffsbestimmungen

(1) 

Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a)
„Finanzsicherheit“ ist eine Sicherheit, die in Form der Vollrechtübertragung oder in Form eines beschränkten dinglichen Sicherungsrechts bestellt wird; hierbei ist unerheblich, ob diese Geschäfte einem Rahmenvertrag oder allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegen oder nicht.

b)
„Finanzsicherheit in Form der Vollrechtsübertragung“ ist die vollständige Übereignung bzw. Zession eines Finanzaktivums oder die Übertragung aller Rechte daran zum Zwecke der Besicherung oder anderweitigen Deckung von Verbindlichkeiten; hierzu gehören auch Wertpapierpensionsgeschäfte.
c)
„Finanzsicherheit in Form eines beschränkten dinglichen Rechts“ ist ein Sicherungsrecht an einem Finanzaktivum durch einen Sicherungsgeber, wobei das volle oder bedingte/beschränkte Eigentum oder die Inhaberschaft an der Sicherheit zum Zeitpunkt der Bestellung beim Sicherungsgeber verbleibt.

d)
„Barsicherheit“ ist ein in beliebiger Währung auf einem Konto gutgeschriebener Betrag oder vergleichbare Geldforderungen, beispielsweise Geldmarkt-Sichteinlagen.
e)
„Finanzinstrumente“ sind Aktien und andere, diesen gleichzustellende Wertpapiere, Schuldverschreibungen und sonstige verbriefte und unverbriefte Schuldtitel, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können, und alle anderen üblicherweise gehandelten Titel, die zum Erwerb solcher Aktien, Schuldverschreibungen oder anderer Wertpapiere durch Zeichnung, Kauf oder Austausch berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, mit Ausnahme von Zahlungsmitteln, einschließlich Anteilen an Organismen für gemeinsame Anlagen, Geldmarktinstrumenten sowie jegliche Rechte oder Ansprüche im Zusammenhang mit irgendeinem der vorgenannten Aktiva.
f)
„Maßgebliche Verbindlichkeiten“ sind Verbindlichkeiten, die durch Finanzsicherheiten besichert sind und ein Recht auf Barzahlung und/oder Lieferung von Finanzinstrumenten begründen.

Maßgebliche Verbindlichkeiten können ganz oder teilweise bestehen aus

i)
gegenwärtigen oder künftigen, bedingten oder unbedingten, fälligen oder betagten Verbindlichkeiten (einschließlich solcher, die aus einem Rahmenvertrag oder einer ähnlichen Vereinbarung erwachsen),
ii)
Verbindlichkeiten einer anderen Person als der des Sicherungsgebers gegenüber dem Sicherungsnehmer oder
iii)
Verbindlichkeiten, die lediglich allgemein oder ihrer Art nach bestimmt oder bestimmbar sind und gelegentlich entstehen.
g)
„Im Effektengiro übertragbare Wertpapiere“ sind Finanzsicherheiten in Form von Finanzinstrumenten, bei denen die Eigentumsverhältnisse durch einen Registereintrag oder eine Buchung auf einem von einem Intermediär oder für den Intermediär selbst geführten Depotkonto nachgewiesen werden.
h)
„Maßgebliches Konto“ ist in Bezug auf im Effektengiro übertragbare Wertpapiere, die als Finanzsicherheit gestellt werden, das Register oder Depotkonto — das auch vom Sicherungsnehmer selbst geführt werden kann —, in dem der maßgebliche Eintrag bzw. auf dem die maßgebliche Buchung erfolgt, aufgrund deren der Sicherungnehmer die Sicherheit erlangt.
i)
„Sicherheit derselben Art“ ist
i)
in Bezug auf Barsicherheiten die Zahlung eines Betrags in gleicher Höhe und gleicher Währung;
ii)
in Bezug auf Finanzinstrumente ein anderes Finanzinstrument desselben Emittenten oder Schuldners, das Bestandteil derselben Emission oder Serie ist, auf den gleichen Nennwert und die gleiche Währung lautet und das gleiche Recht verbrieft; hierzu zählen, sofern vereinbart, auch Vermögenswerte, die infolge eines Ereignisses, das die als Finanzsicherheit gestellten Finanzinstrumente betrifft, an die Stelle des Finanzinstruments treten.
j)
„Liquidationsverfahren“ ist ein Gesamtverfahren, bei dem das Vermögen verwertet und der Erlös in angemessener Weise unter den Gläubigern, Anteilseignern oder Mitgliedern verteilt wird, wozu das Tätigwerden einer Behörde oder eines Gerichts erforderlich ist; dazu zählen auch Gesamtverfahren, die durch einen Vergleich oder eine ähnliche Maßnahme abgeschlossen werden; es ist unerheblich, ob das Verfahren infolge Zahlungsunfähigkeit eröffnet wird oder nicht oder ob es freiwillig oder zwangsweise eingeleitet wird.
k)
„Sanierungsmaßnahmen“ sind Maßnahmen, die das Tätigwerden einer Behörde oder eines Gerichts mit dem Ziel beinhalten, die finanzielle Lage zu sichern oder wieder herzustellen, und die die bestehenden Rechte Dritter beeinträchtigen; dazu zählen unter anderem auch Maßnahmen, die die Aussetzung der Zahlungen, die Aussetzung der Vollstreckungsmaßnahmen oder eine Kürzung der Forderungen beinhalten.
l)
„Verwertungs- bzw. Beendigungsfall“ ist eine Vertragsverletzung oder jedes Ereignis, das die Vertragsparteien kraft Vereinbarung einer Vertragsverletzung gleichstellen, bei deren/dessen Eintreten der Sicherungsnehmer vertraglich oder kraft Gesetzes zur Verwertung bzw. Aneignung der Finanzsicherheit bzw. zur Aufrechnung infolge Beendigung („close out netting“) berechtigt ist.
m)
„Verfügungsrecht“ ist das Recht des Inhabers eines beschränkten dinglichen Sicherungsrechts an einem Finanzaktivum, über dieses Aktivum vereinbarungsgemäß als Eigentümer zu verfügen.
n)
„Aufrechnung infolge Beendigung“ („close out netting“) ist eine vertragliche Bestimmung im Rahmen der Bestellung einer Finanzsicherheit bzw. einer Vereinbarung, die die Bestellung einer Finanzsicherheit umfasst, oder — sofern nichts vereinbart wurde — eine Rechtsvorschrift, wonach der Eintritt eines Verwertungs- bzw. Beendigungsfalls (im Wege der Verrechnung, Aufrechnung oder auf andere Weise) Folgendes nach sich zieht:
i)
die entsprechenden Verpflichtungen werden entweder sofort fällig und in eine Zahlungsverpflichtung in Höhe ihres geschätzten aktuellen Werts umgewandelt oder beendigt und durch einen entsprechenden Zahlungsanspruch ersetzt und/oder
ii)
der Wert der beiderseits fälligen finanziellen Verpflichtungen wird ermittelt, wobei die Partei mit den höheren Verbindlichkeiten den errechneten Nettosaldo an die andere Partei zu zahlen hat.

o)
„Kreditforderungen“ sind Geldforderungen aus einer Vereinbarung, aufgrund derer ein Kreditinstitut im Sinne von Artikel 4 Nummer 1 der Richtlinie 2006/48/EG, einschließlich der in Artikel 2 jener Richtlinie bezeichneten Institute, einen Kredit in Form eines Darlehens gewährt.

(2) „Bestellung“ bzw. „bestellt“ im Sinne dieser Richtlinie bedeutet, dass dem Sicherungsnehmer oder seinem Vertreter eine Finanzsicherheit geliefert oder im Wege des Effektengiros gutgeschrieben wurde oder ihnen auf sonstige Weise der Besitz oder die Kontrolle daran verschafft wurde, sofern er den Besitz oder die Kontrolle nicht bereits innehatte. ² Der Besitzverschaffung gemäß dieser Richtlinie steht nicht entgegen, dass der Sicherungsgeber Anspruch auf Rückgewähr bestellter Sicherheiten im Austausch gegen andere Sicherheiten oder auf Rückgewähr überschüssiger Sicherheiten hat oder im Falle von Kreditforderungen bis auf Weiteres die Erträge aus diesen Forderungen einziehen kann.

(3) „Schriftlich“ im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet auch die elektronische Aufzeichnung sowie jede andere Art der Aufzeichnung mittels eines dauerhaften Datenträgers.

Art. 3 Formerfordernisse

(1) 

Die Mitgliedstaaten verlangen nicht, dass die Bestellung und die Wirksamkeit einer Finanzsicherheit sowie die prozessuale Beweisführung bei einer Finanzsicherheit oder die Besitzverschaffung an einer Finanzsicherheit von der Erfüllung von Formerfordernissen abhängen.

²Werden Kreditforderungen als Finanzsicherheit gestellt, verlangen die Mitgliedstaaten unbeschadet von Artikel 1 Absatz 5 nicht, dass ihre Bestellung, ihre Wirksamkeit, ihr Abschluss, ihr Rang, ihre Vollstreckbarkeit oder ihre prozessuale Beweisführung von der Erfüllung von Formerfordernissen wie der Registrierung oder der Anzeige an den Schuldner der als Sicherheit bestellten Forderung abhängen. ³Die Mitgliedstaaten können jedoch Formerfordernisse wie die Anzeige an den Schuldner oder eine Registrierungen zum Zwecke des Abschlusses, der Rangsicherung, der Vollstreckbarkeit oder der prozessualen Beweisführung gegenüber dem Schuldner oder Dritten beibehalten.

Bis zum 30. Juni 2014 unterrichtet die Kommission das Europäische Parlament und den Rat darüber, ob die Bestimmungen dieses Absatzes weiterhin angemessen sind.

(2) 

Absatz 1 hindert nicht, dass diese Richtlinie für besitzgebundene Finanzsicherheiten gilt, bei denen die Besitzverschaffung schriftlich nachgewiesen werden kann, und sofern die Bestellung der Finanzsicherheit schriftlich oder in rechtlich gleichwertiger Form nachgewiesen werden kann.

(3) 

Unbeschadet der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen  und einzelstaatlicher Vorschriften über missbräuchliche Vertragsklauseln stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Schuldner von Kreditforderungen auf folgende Rechte schriftlich oder in rechtlich gleichwertiger Form rechtswirksam verzichten können:

i)
ihre Rechte auf Aufrechnung gegenüber dem Gläubiger der Kreditforderung und gegenüber Personen, an die der Gläubiger die Kreditforderung abgetreten, verpfändet oder anderweitig als Sicherheit eingesetzt hat, und
ii)
ihre aus Bestimmungen zum Bankgeheimnis erwachsenden Rechte, die anderenfalls den Gläubiger der Kreditforderungen daran hindern oder in seinen Möglichkeiten beschränken würden, Auskünfte über die Kreditforderung oder den Schuldner — mit Blick auf eine Verwendung der Kreditforderung als Sicherheit — zu erteilen.

Art. 4 Verwertung der Sicherheit

(1) 

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Verwertungs- bzw. Beendigungsfall der Sicherungsnehmer jede in Form eines beschränkten dinglichen Sicherungsrechts bestellte Finanzsicherheit vereinbarungsgemäß wie folgt verwerten kann:

a)
bei Finanzinstrumenten durch Verkauf oder Aneignung und anschließende Verrechnung ihres Werts mit den maßgeblichen Verbindlichkeiten oder Verwendung an Zahlungs statt;
b)
bei Barsicherheiten durch Aufrechnung des Betrags gegen die maßgeblichen Verbindlichkeiten oder durch Verwendung an Zahlungs statt;

c)
bei Kreditforderungen durch Veräußerung oder Einziehung und anschließende Verrechnung ihres Werts mit den maßgeblichen Verbindlichkeiten oder Verwendung an Zahlungs statt.

(2) 

Eine Aneignung ist nur möglich, wenn

a)
die Parteien dies bei der Bestellung des Sicherungsrechts vereinbart haben und

b)
die Sicherungsvereinbarung eine Bewertung der Finanzinstrumente und Kreditforderungen ermöglicht.

 —————

(4) Finanzsicherheiten können vorbehaltlich der Bedingungen der Sicherheitsvereinbarung in der vorgenannten Weise verwertet werden, ohne dass

a)
eine Verwertungsandrohung erforderlich ist;
b)
ein Gericht, ein Beauftragter einer öffentlichen Stelle oder eine andere Person den Verwertungsbedingungen zugestimmt haben muss;
c)
die Verwertung mittels einer Auktion oder auf eine andere vorgeschriebene Art und Weise stattfinden muss oder
d)
eine zusätzliche Wartefrist verstrichen sein muss.

(5) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass eine Finanzsicherheit vereinbarungsgemäß wirksam werden kann, auch wenn gegenüber dem Sicherungsgeber oder -nehmer ein Liquidationsverfahren eröffnet wurde oder Sanierungsmaßnahmen eingeleitet wurden oder das Verfahren bzw. die Maßnahmen andauern.

(6) Etwaige Verpflichtungen nach einzelstaatlichem Recht, die Ver- oder Bewertung von Finanzsicherheiten und die Ermittlung der Höhe der maßgeblichen Verbindlichkeiten nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmen, werden von diesem Artikel und den Artikeln 5, 6 und 7 nicht berührt.

Art. 5 Verfügungsrecht über Finanzsicherheiten in Form eines beschränkten dinglichen Sicherungsrechts

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Sicherungsnehmer, soweit bei der Bestellung der Finanzsicherheit vorgesehen, ein Verfügungsrecht über Finanzsicherheiten in Form eines beschränkten dinglichen Sicherungsrechts ausüben kann.

(2) 

Übt ein Sicherungsnehmer ein Verfügungsrecht aus, geht er damit die Verpflichtung ein, eine Sicherheit derselben Art zu beschaffen, die spätestens zum Fälligkeitstermin der maßgeblichen Verbindlichkeiten an die Stelle der ursprünglichen Sicherheit tritt.

Wahlweise kann der Sicherungsnehmer zum Fälligkeitstermin der maßgeblichen Verbindlichkeiten entweder Sicherheiten derselben Art rückübereignen oder, soweit in der Sicherungsvereinbarung vorgesehen, den Wert der Sicherheiten derselben Art gegen die maßgeblichen Verbindlichkeiten aufrechnen oder die Sicherheiten an Zahlungs statt verwenden.

(3) Die in Erfüllung der Verpflichtung gemäß Absatz 2 Unterabsatz 1 beschaffte Sicherheit derselben Art ist Gegenstand derselben Vereinbarung über die Bestellung einer Finanzsicherheit in Form eines beschränkten dinglichen Rechts wie die ursprüngliche Sicherheit und wird so behandelt, als wäre sie zum selben Zeitpunkt wie diese bestellt worden.

(4) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die vereinbarungsgemäßen Rechte des Sicherungsnehmers in Bezug auf die von ihm in Erfüllung der Verpflichtung gemäß Absatz 2 Unterabsatz 1 beschaffte Finanzsicherheit nicht dadurch unwirksam oder nichtig werden, dass er gemäß diesem Artikel über die Finanzsicherheit verfügt.

(5) 

Tritt ein Verwertungs- bzw. Beendigungsfall ein, bevor eine in Absatz 2 Unterabsatz 1 beschriebene Verpflichtung erfüllt wurde, so kann diese Verpflichtung in die Aufrechnung infolge Beendigung einbezogen werden.

(6) 

Dieser Artikel gilt nicht für Kreditforderungen.

Art. 6 Anerkennung von Finanzsicherheiten in Form der Vollrechtsübertragung

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass eine Finanzsicherheit in Form der Vollrechtsübertragung vereinbarungsgemäß wirksam werden kann.

(2) Tritt ein Verwertungs- bzw. Beendigungsfall ein, bevor der Sicherungsnehmer seine Verpflichtung zur Rückübereignung einer Sicherheit derselben Art gemäß einer Vereinbarung über die Bestellung einer Finanzsicherheit in Form der Vollrechtsübertragung erfüllt hat, kann diese Verpflichtung in die Aufrechnung infolge Beendigung einbezogen werden.

Art. 7 Anerkennung der Aufrechnung infolge Beendigung

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Aufrechnung infolge Beendigung vereinbarungsgemäß wirksam werden kann,

a)
auch wenn gegenüber dem Sicherungsgeber oder -nehmer ein Liquidationsverfahren eröffnet wurde oder Sanierungsmaßnahmen eingeleitet wurden oder das Verfahren bzw. die Maßnahmen andauern, und/oder
b)
ungeachtet behaupteter Zessionen, gerichtlicher oder sonstiger Pfändungen oder anderweitiger Verfügungen über jene Rechte.

(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Erfordernisse gemäß Artikel 4 Absatz 4 für die Aufrechnung infolge Beendigung nicht gelten, sofern die Parteien nicht etwas anderes vereinbaren.

Art. 8 Nichtanwendung bestimmter Insolvenzbestimmungen

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Bestellung einer Finanzsicherheit sowie die Besitzverschaffung daran nicht allein deshalb für unwirksam oder nichtig erklärt oder rückgängig gemacht werden dürfen, weil die Bestellung oder die Besitzverschaffung

a)
am Tag der Eröffnung eines Liquidationsverfahrens oder der Einleitung von Sanierungsmaßnahmen, jedoch vor Erlass des hierfür erforderlichen Gerichtsbeschlusses oder Verwaltungsakts, oder
b)
innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor der Eröffnung eines Liquidationsverfahrens oder der Einleitung von Sanierungsmaßnahmen oder vor dem Erlass eines Gerichtsbeschlusses oder Verwaltungsakts oder vor sonstigen Maßnahmen oder Ereignissen im Laufe derartiger Verfahren bzw. Maßnahmen erfolgte.

(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Bestellung einer Finanzsicherheit oder die Besicherung einer Verbindlichkeit oder die Besitzverschaffung an einer Finanzsicherheit, die am Tag der Eröffnung, jedoch nach der Eröffnung eines Liquidationsverfahrens oder der Einleitung von Sanierungsmaßnahmen erfolgt, rechtlich verbindlich und absolut wirksam ist, wenn der Sicherungsnehmer nachweisen kann, dass er von der Eröffnung des Verfahrens bzw. der Einleitung der Maßnahmen keine Kenntnis hatte und auch nicht haben konnte.

(3) 

Enthält die Sicherungsvereinbarung entweder

a)
die Verpflichtung, eine Finanzsicherheit bzw. eine zusätzliche Finanzsicherheit zu bestellen, um Änderungen im Wert der Finanzsicherheit oder im Betrag der maßgeblichen Verbindlichkeit Rechnung zu tragen, oder
b)
das Recht, eine Finanzsicherheit zurückzuverlangen, wenn dafür als Ersatz oder im Austausch eine Finanzsicherheit gleichen Werts bestellt wird,

so stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Bestellung einer Finanzsicherheit, einer zusätzlichen Finanzsicherheit oder einer Finanzsicherheit als Ersatz oder im Austausch gemäß einer solchen Verpflichtung bzw. einem solchen Recht nicht allein deswegen als unwirksam angesehen oder rückgängig gemacht oder für nichtig erklärt werden kann, weil

i)
sie am Tag der Eröffnung eines Liquidationsverfahrens oder der Einleitung von Sanierungsmaßnahmen, jedoch vor dem Erlass des hierfür erforderlichen Gerichtsbeschlusses oder Verwaltungsakts oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor der Eröffnung eines Liquidationsverfahrens oder der Einleitung von Sanierungsmaßnahmen oder vor dem Erlass eines Gerichtsbeschlusses oder Verwaltungsakts oder vor sonstigen Maßnahmen oder Ereignissen im Laufe derartiger Verfahren bzw. Maßnahmen erfolgte oder
ii)
die maßgebliche Verbindlichkeit vor der Bestellung der Finanzsicherheit, der zusätzlichen Finanzsicherheit oder der Ersatz- bzw. Austauschsicherheit entstanden ist.

(4) Unbeschadet der Absätze 1 bis 3 berührt diese Richtlinie nicht die allgemeinen einzelstaatlichen Insolvenzvorschriften in Bezug auf die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit von Geschäften, die während des in Absatz 1 Buchstabe b) und Absatz 3 Ziffer i) genannten Zeitraums getätigt werden.

Art. 9 Internationales Privatrecht

(1) Die in Absatz 2 genannten Regelungsgegenstände im Hinblick auf im Effektengiro übertragbare Wertpapiere unterliegen dem Recht des Landes, in dem das maßgebliche Konto geführt wird. ²Der Verweis auf das Recht eines Landes ist als Sachnormverweisung zu verstehen, d. h. es wird jegliche Vorschrift ausgeschlossen, die für die jeweilige Rechtsfrage auf das Recht eines anderen Staates verweist.

(2) 

Die von Absatz 1 erfassten Regelungsgegenstände sind:

a)
Rechtsnatur und dingliche Wirkung von im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren;
b)
Anforderungen an eine in jeder Hinsicht wirksame Bestellung eines Sicherungsrechts an im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren und die Besitzverschaffung an solchen Wertpapieren sowie generell die für die absolute Wirksamkeit der Bestellung und Besitzverschaffung erforderlichen Rechtshandlungen;
c)
die Frage, ob das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte an im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren durch das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte eines Dritten verdrängt werden oder diesem gegenüber nachrangig sind oder ein gutgläubiger Erwerb eingetreten ist;
d)
Schritte, die zur Verwertung von im Effektengiro übertragbaren Wertpapieren nach Eintritt des Verwertungs- bzw. Beendingungsfalls erforderlich sind.

Art. 9a Richtlinien 2008/48/EG und 2014/59/EU

Diese Richtlinie gilt unbeschadet der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/59/EU.

Art. 10 Bericht der Kommission

Spätestens am 27. Dezember 2006 legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie, insbesondere der Artikel 1 Absatz 3, Artikel 4 Absatz 3 und Artikel 5 vor und unterbreitet gegebenenfalls Vorschläge für ihre Überprüfung.

Art. 11 Umsetzung

Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens ab dem 27. Dezember 2003 nachzukommen. ²Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

³Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

Art. 12 Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft.

Art. 13 Adressaten

Diese Richtlinie ist an alle Mitgliedstaaten gerichtet.


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