freiRecht

Massenzustromrichtlinie

Massenzustromrichtlinie

Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten

Art. 1 Ziel dieser Richtlinie ist es, Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen aus Drittländern, die nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können, festzulegen und eine ausgewogene Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten zu fördern.

Artikel 2

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

ii) die ernsthaft von systematischen oder weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen bedroht waren oder Opfer solcher Menschenrechtsverletzungen sind;

Artikel 3

(1) Der vorübergehende Schutz berührt nicht die Anerkennung des Flüchtlingsstatus im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.

(2) Die Mitgliedstaaten führen den vorübergehenden Schutz unter Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie ihrer Verpflichtungen hinsichtlich der Nichtzurückweisung durch.

(3) Die Einleitung, Durchführung und Beendigung des vorübergehenden Schutzes sind Gegenstand regelmäßiger Konsultationen mit dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge ("UNHCR") und anderen einschlägigen internationalen Organisationen.

(4) Die Richtlinie findet nicht auf Personen Anwendung, die von den Mitgliedstaaten vor Inkrafttreten dieser Richtlinie im Rahmen von Regelungen über den vorübergehenden Schutz aufgenommen wurden.

(5) 

Die Richtlinie berührt nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, für Personen, die durch den vorübergehenden Schutz begünstigt werden, günstigere Regelungen zu treffen oder beizubehalten.

KAPITEL II

Dauer und Durchführung des vorübergehenden Schutzes

Artikel 4

(1) Unbeschadet des Artikels 6 beträgt die Dauer des vorübergehenden Schutzes ein Jahr. ²Wird der vorübergehende Schutz nicht gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b) beendet, so verlängert er sich automatisch um jeweils sechs Monate, höchstens jedoch um ein Jahr.

(2) 

Bei Fortbestehen von Gründen für den vorübergehenden Schutz kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission, die außerdem jeden Antrag eines Mitgliedstaats prüft, wonach sie dem Rat einen Vorschlag unterbreiten soll, beschließen, diesen vorübergehenden Schutz um bis zu einem Jahr zu verlängern.

Artikel 5

(1) Das Bestehen eines Massenzustroms von Vertriebenen wird durch einen Beschluss des Rates festgestellt. ²Dieser Beschluss ergeht mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission, die außerdem jeden Antrag eines Mitgliedstaats prüft, wonach sie dem Rat einen Vorschlag unterbreiten soll.

(2) Der Vorschlag der Kommission enthält mindestens Folgendes:

(3) Aufgrund des Beschlusses des Rates wird in allen Mitgliedstaaten der vorübergehende Schutz gemäß dieser Richtlinie zugunsten der Vertriebenen, die Gegenstand des Beschlusses sind, eingeführt. Der Beschluss enthält mindestens Folgendes:

(4) Der Beschluss des Rates wird auf Folgendes gestützt:

(5) 

Das Europäische Parlament wird über den Beschluss des Rates informiert.

Artikel 6

(1) Der vorübergehende Schutz wird beendet:

(2) 

Der Beschluss des Rates gründet auf der Feststellung, dass die Lage im Herkunftsland eine sichere, dauerhafte Rückkehr der Personen, denen der vorübergehende Schutz gewährt wurde, unter Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Nichtzurückweisung zulässt. ²Das Europäische Parlament wird über den Beschluss des Rates informiert.

Artikel 7

(1) Die Mitgliedstaaten können den vorübergehenden Schutz gemäß dieser Richtlinie weiteren - von dem Beschluss des Rates nach Artikel 5 nicht erfassten - Gruppen von Vertriebenen gewähren, sofern sie aus den gleichen Gründen vertrieben wurden und aus demselben Herkunftsland oder derselben Herkunftsregion kommen. ²Die Mitgliedstaaten unterrichten davon umgehend den Rat und die Kommission.

(2) 

Wird auf die Möglichkeit nach Absatz 1 zurückgegriffen, finden die Artikel 24, 25 und 26 keine Anwendung; dies gilt nicht für die strukturelle Unterstützung, die im Rahmen des mit der Entscheidung 2000/596/EG(9) errichteten Europäischen Flüchtlingsfonds nach den in jener Entscheidung festgelegten Bedingungen gewährt wird.

KAPITEL III

Pflichten der Mitgliedstaaten gegenüber Personen, die vorübergehenden Schutz genießen

Artikel 8

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit die Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, für die gesamte Dauer des Schutzes über einen Aufenthaltstitel verfügen. ²Sie stellen entsprechende Dokumente oder andere gleichwertige Nachweise aus.

(2) Ungeachtet der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltstitel gemäß Absatz 1 muss die Behandlung, die die Mitgliedstaaten Personen gewähren, die vorübergehenden Schutzes genießen, zumindest der in den Artikeln 9 bis 16 festgelegten Behandlung entsprechen.

(3) 

Die Mitgliedstaaten gewähren Personen, die zum Zwecke des vorübergehenden Schutzes zugelassen werden sollen, erforderlichenfalls jede Hilfe zur Erlangung der erforderlichen Visa, einschließlich Transitvisa. ²Die Förmlichkeiten sind angesichts der Dringlichkeit der Lage auf das Mindestmaß zu begrenzen. ³Die Gebühren für die Visa sollten entfallen oder auf einen Mindestbetrag herabgesetzt werden.

Artikel 9

Die Mitgliedstaaten händigen den Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, ein Dokument in einer Sprache aus, von der angenommen werden kann, dass diese Personen sie verstehen; in dem Dokument sind die für diese Personen bedeutsamen Bestimmungen zum vorübergehenden Schutz in klarer Form dargelegt.

Artikel 10

Um die wirksame Anwendung des in Artikel 5 genannten Beschlusses des Rates zu ermöglichen, erstellen die Mitgliedstaaten ein Register der personenbezogenen Daten nach Anhang II Buchstabe a) zu den Personen, die in ihrem Hoheitsgebiet vorübergehenden Schutz genießen.

Artikel 11

Ein Mitgliedstaat muss eine Person, die in seinem Hoheitsgebiet vorübergehenden Schutz genießt, rückübernehmen, wenn diese sich während des von dem Beschluss des Rates nach Artikel 5 erfassten Zeitraums unrechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält oder versucht, unrechtmäßig in dieses einzureisen. Die Mitgliedstaaten können auf der Grundlage einer bilateralen Vereinbarung beschließen, dass dieser Artikel keine Anwendung findet.

Artikel 12

Die Mitgliedstaaten gestatten Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, für einen Zeitraum, der den des vorübergehenden Schutzes nicht übersteigt, die Ausübung einer abhängigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit nach für den jeweiligen Berufsstand geltenden Regeln sowie von Tätigkeiten in Bereichen wie z. B. Bildungsangebote für Erwachsene, berufliche Fortbildung und praktische Erfahrungen am Arbeitsplatz. Aus Gründen der Arbeitsmarktpolitik können die Mitgliedstaaten EU-Bürgern, Staatsangehörigen der Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie Drittstaatsangehörigen mit rechtmäßigem Aufenthalt, die Arbeitslosengeld beziehen, Vorrang einräumen. ¹⁰Es sind die in den Mitgliedstaaten geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften betreffend das Arbeitsentgelt, den Zugang zu Systemen der sozialen Sicherheit im Rahmen der abhängigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit sowie sonstige Beschäftigungsbedingungen anwendbar.

Artikel 13

(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, angemessen untergebracht werden oder gegebenenfalls Mittel für eine Unterkunft erhalten.

(2) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, die notwendige Hilfe in Form von Sozialleistungen und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie im Hinblick auf die medizinische Versorgung erhalten, sofern sie nicht über ausreichende Mittel verfügen. ²Unbeschadet des Absatzes 4 umfasst die notwendige Hilfe im Hinblick auf die medizinische Versorgung mindestens die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten.

(3) Üben die Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, eine abhängige oder selbständige Erwerbstätigkeit aus, so ist bei der Festlegung der beabsichtigten Unterstützung ihrer Fähigkeit, selbst für ihren Unterhalt aufzukommen, Rechnung zu tragen.

(4) 

Die Mitgliedstaaten gewähren Personen, die vorübergehenden Schutz genießen und besondere Bedürfnisse haben, beispielsweise unbegleitete Minderjährige oder Personen, die Opfer von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schwerwiegenden Formen psychischer, körperlicher oder sexueller Gewalt geworden sind, die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe.

Artikel 14

(1) Die Mitgliedstaaten gestatten Personen unter 18 Jahren, die vorübergehenden Schutz genießen, in gleicher Weise wie den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats den Zugang zum Bildungssystem. ²Die Mitgliedstaaten können verfügen, dass der Zugang auf das öffentliche Bildungssystem beschränkt bleiben muss.

(2) 

Die Mitgliedstaaten können Erwachsenen, die vorübergehenden Schutz genießen, den Zugang zum allgemeinen Bildungssystem gestatten.

Artikel 15

(1) Im Sinne dieses Artikels gelten in Fällen, in denen Familien bereits im Herkunftsland bestanden und im Zuge des Massenzustroms getrennt wurden, folgende Personen als Familienangehörige:

(2) In Fällen, in denen die getrennten Familienangehörigen in verschiedenen Mitgliedstaaten vorübergehenden Schutz genießen, führen die Mitgliedstaaten die Familienangehörigen zusammen, wenn sie nach ihrer Überzeugung unter die Beschreibung in Absatz 1 Buchstabe a) fallen, wobei der Wunsch der Familienangehörigen berücksichtigt wird. ²Die Mitgliedstaaten können Familienangehörige zusammenführen, wenn sie nach ihrer Überzeugung unter die Beschreibung in Absatz 1 Buchstabe b) fallen, wobei sie im Einzelfall die außergewöhnliche Härte berücksichtigen, die eine unterbleibende Familienzusammenführung für die Betreffenden bedeuten würde.

(3) Wenn der Bürge in einem Mitgliedstaat vorübergehenden Schutz genießt und eines oder mehrere seiner Familienangehörigen sich noch nicht in einem Mitgliedstaat befinden, führt der Mitgliedstaat, in dem der Bürge vorübergehenden Schutz genießt, schutzbedürftige Familienangehörige mit dem Bürgen zusammen, wenn sie nach seiner Überzeugung unter die Beschreibung in Absatz 1 Buchstabe a) fallen. ²Der Mitgliedstaat kann schutzbedürftige Familienangehörige mit dem Bürgen zusammenführen, wenn sie nach seiner Überzeugung unter die Beschreibung in Absatz 1 Buchstabe b) fallen, wobei er im Einzelfall die außergewöhnliche Härte berücksichtigt, die eine unterbleibende Familienzusammenführung für die Betreffenden bedeuten würde.

(4) Bei der Anwendung dieses Artikels berücksichtigen die Mitgliedstaaten das Wohl des Kindes.

(5) Die betreffenden Mitgliedstaaten entscheiden unter Berücksichtigung der Artikel 25 und 26, in welchem Mitgliedstaat die Zusammenführung erfolgen soll.

(6) Den zusammengeführten Familienangehörigen werden im Rahmen des vorübergehenden Schutzes Aufenthaltstitel gewährt. ²Hierzu werden Dokumente oder andere gleichwertige Nachweise ausgestellt. ³Bei Überstellungen in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zwecks Familienzusammenführung nach Absatz 2 werden die ausgestellten Aufenthaltstitel eingezogen; die Verpflichtungen gegenüber den Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, in dem verlassenen Mitgliedstaat erlöschen.

(7) Die praktische Umsetzung dieses Artikels kann in Zusammenarbeit mit den beteiligten internationalen Organisationen erfolgen.

(8) 

Ein Mitgliedstaat erteilt auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates gemäß Anhang II über Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, die Informationen, die zur Bearbeitung einer unter diesen Artikel fallenden Angelegenheit benötigt werden.

Artikel 16

(1) Die Mitgliedstaaten sorgen so bald wie möglich für die erforderliche Vertretung von unbegleiteten Minderjährigen, die vorübergehenden Schutz genießen; die Vertretung übernimmt ein gesetzlicher Vormund oder erforderlichenfalls eine Organisation, die für die Betreuung und das Wohlergehen der Minderjährigen verantwortlich ist, oder eine andere geeignete Instanz.

(2) 

Während der Dauer des vorübergehenden Schutzes sorgen die Mitgliedstaaten für die Unterbringung der unbegleiteten Minderjährigen

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um diese Unterbringung zu ermöglichen. ²Die Mitgliedstaaten prüfen, ob die betreffende(n) volljährige(n) Person(en) mit der Unterbringung einverstanden sind. ³Die Wünsche von Kindern werden unter Beachtung ihres Alters und ihrer Reife berücksichtigt.

KAPITEL IV

Zugang zum Asylverfahren im Rahmen des vorübergehenden Schutzes

Artikel 17

(1) Es ist zu gewährleisten, dass Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, jederzeit einen Asylantrag stellen können.

(2) 

Die Prüfung etwaiger bei Ablauf des vorübergehenden Schutzes noch nicht bearbeiteter Asylanträge dieser Personen ist nach Ablauf des vorübergehenden Schutzes zum Abschluss zu bringen.

Artikel 18

Die Kriterien und Verfahren für die Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, finden Anwendung. Insbesondere ist für die Prüfung eines Asylantrags einer Person, die nach dieser Richtlinie vorübergehenden Schutz genießt, der Mitgliedstaat zuständig, der der Überstellung dieser Person in sein Hoheitsgebiet zugestimmt hat.

Artikel 19

(1) Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die sich aus dem vorübergehenden Schutz ergebenden Rechte nicht mit dem Status eines Asylbewerbers, dessen Antrag geprüft wird, kumuliert werden können.

(2) 

Wird eine Person, die für den vorübergehenden Schutz in Betracht kommt oder vorübergehenden Schutz genießt, nach Prüfung ihres Asylantrags nicht als Flüchtling anerkannt oder wird ihr gegebenenfalls keine andere Art von Schutz gewährt, so sehen die Mitgliedstaaten unbeschadet des Artikels 28 vor, dass die betreffende Person für die verbleibende Schutzdauer weiterhin vorübergehenden Schutz genießt oder in den Genuss dieses Schutzes gelangt.

KAPITEL V

Rückkehr und Maßnahmen nach Ablauf des vorübergehenden Schutzes

Artikel 20

Nach Ablauf des vorübergehenden Schutzes finden die allgemeinen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz und über Ausländer unbeschadet der Artikel 21, 22 und 23 Anwendung.

Artikel 21

(1) 

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die freiwillige Rückkehr von Personen, die vorübergehenden Schutz genießen oder deren vorübergehender Schutz abgelaufen ist, zu ermöglichen. ²Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Bestimmungen hinsichtlich der freiwilligen Rückkehr von Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, die Rückkehr unter Achtung der Menschenwürde ermöglichen.

³Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass diese Personen ihre Entscheidung zur Rückkehr in voller Kenntnis der Sachlage treffen. Sie können die Möglichkeit der Durchführung von Sondierungsbesuchen vorsehen.

(2) Solange der vorübergehende Schutz weiter besteht, prüfen die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Lage im Herkunftsland wohlwollend die Anträge von Personen, die vorübergehenden Schutz genossen und ihr Recht auf freiwillige Rückkehr wahrgenommen haben, auf Rückkehr in den Aufnahmemitgliedstaat.

(3) 

Bei Ablauf des vorübergehenden Schutzes können die Mitgliedstaaten die Verpflichtungen nach Kapitel III bis zum Zeitpunkt der Rückkehr auf solche Personen ausdehnen, die vom vorübergehenden Schutz erfasst waren und an einem Programm zur freiwilligen Rückkehr teilnehmen. ²Diese Ausdehnung gilt bis zum Zeitpunkt der Rückkehr.

Artikel 22

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Zwangsrückführung von Personen, deren vorübergehender Schutz abgelaufen ist und die für eine Aufnahme nicht in Frage kommen, unter Wahrung der menschlichen Würde erfolgt.

(2) 

Im Falle einer Zwangsrückführung prüfen die Mitgliedstaaten, ob etwaige zwingende humanitäre Gründe vorliegen, die die Rückkehr in besonderen Fällen als unmöglich oder unzumutbar erscheinen lassen.

Artikel 23

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Vorkehrungen betreffend die Aufenthaltsbedingungen von Personen, die vorübergehenden Schutz genossen haben und denen eine Reise angesichts ihres Gesundheitszustands vernünftigerweise nicht zugemutet werden kann, beispielsweise wenn eine Unterbrechung ihrer Behandlung schwerwiegende Konsequenzen für sie hätte. ²Solange diese Situation andauert, werden sie nicht abgeschoben.

(2) 

Die Mitgliedstaaten können Familien mit minderjährigen Kindern, die eine Schulausbildung in einem Mitgliedstaat absolvieren, Aufenthaltsbedingungen gewähren, die es den betreffenden Kindern ermöglichen, den laufenden Schulabschnitt zu beenden.

KAPITEL VI

Solidarität

Artikel 24

Die in der Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen werden aus Mitteln des mit der Entscheidung 2000/596/EG errichteten Europäischen Flüchtlingsfonds nach den in dieser Entscheidung festgelegten Bedingungen unterstützt.

Artikel 25

(1) Die Mitgliedstaaten nehmen im Sinne der Gemeinschaftssolidarität Personen auf, die für den vorübergehenden Schutz in Betracht kommen. ²Sie geben - anhand von Zahlen oder allgemein - ihre Aufnahmekapazität an. ³Diese Angaben werden in dem Beschluss des Rates nach Artikel 5 aufgeführt. Nach Annahme dieses Beschlusses können die Mitgliedstaaten zusätzliche Aufnahmekapazitäten durch eine entsprechende Mitteilung an den Rat und die Kommission angeben. Der UNHCR ist hierüber umgehend zu informieren.

(2) Die betreffenden Mitgliedstaaten tragen in Zusammenarbeit mit den zuständigen internationalen Organisationen dafür Sorge, dass die in dem Beschluss des Rates nach Artikel 5 festgelegten in Betracht kommenden Personen, die sich noch nicht in der Gemeinschaft befinden, ihren Wunsch erklärt haben, in ihr Hoheitsgebiet aufgenommen zu werden.

(3) 

Übersteigt infolge eines plötzlichen und massenhaften Zustroms die Anzahl der Personen, die für den vorübergehenden Schutz in Betracht kommen, die Aufnahmekapazität nach Absatz 1, so prüft der Rat die Lage umgehend und trifft geeignete Maßnahmen, darunter die Empfehlung, den betroffenen Mitgliedstaaten zusätzliche Unterstützung zu erteilen.

Artikel 26

(1) Während der Dauer des vorübergehenden Schutzes arbeiten die Mitgliedstaaten bei der Verlegung des Wohnsitzes von Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, von einem Mitgliedstaat in einen anderen zusammen, wobei die betreffenden Personen einer derartigen Verlegung zugestimmt haben müssen.

(2) Jeder Mitgliedstaat informiert die anderen Mitgliedstaaten über die beantragten Überstellungen und unterrichtet hierüber die Kommission und den UNHCR. ²Die Mitgliedstaaten teilen dem antragstellenden Mitgliedstaat ihre Aufnahmekapazität mit.

(3) Ein Mitgliedstaat erteilt auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates gemäß Anhang II über eine Person, die vorübergehenden Schutz genießt, die Informationen, die zur Bearbeitung einer unter diesen Artikel fallenden Angelegenheit benötigt werden.

(4) Erfolgt eine Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat, so verliert der in dem ersten Mitgliedstaat ausgestellte Aufenthaltstitel seine Gültigkeit und es erlöschen die sich aus dem vorübergehenden Schutz ergebenden Verpflichtungen dieses Mitgliedstaats gegenüber den betreffenden Personen. ²Der neue Aufnahmemitgliedstaat gewährt den betreffenden Personen vorübergehenden Schutz.

(5) 

Die Mitgliedstaaten verwenden das in Anhang I enthaltene Muster eines Laissez-passer für die Überstellung von vorübergehenden Schutz genießenden Personen in einen anderen Mitgliedstaat.

KAPITEL VII

Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden

Artikel 27

(1) Im Hinblick auf die bei Durchführung des vorübergehenden Schutzes erforderliche Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden benennen die Mitgliedstaaten je eine nationale Kontaktstelle, deren genaue Angaben den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission mitzuteilen sind. ²Die Mitgliedstaaten treffen in Abstimmung mit der Kommission die notwendigen Vorkehrungen, um eine direkte Zusammenarbeit und einen Informationsaustausch zwischen den zuständigen Behörden zu ermöglichen.

(2) 

Die Mitgliedstaaten übermitteln regelmäßig und so schnell wie möglich die Zahl der Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, sowie alle erforderlichen Angaben zu den einzelstaatlichen Rechts und Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des vorübergehenden Schutzes.

KAPITEL VIII

Besondere Bestimmungen

Artikel 28

(1) 

Die Mitgliedstaaten können eine Person vom vorübergehenden Schutz ausschließen, wenn

ii) sie vor ihrer Aufnahme in den Aufnahmemitgliedstaat als Person, die vorübergehenden Schutz genießt, ein schweres Verbrechen des gemeinen Rechts außerhalb jenes Mitgliedstaates begangen hat. ²Die Schwere der zu erwartenden Verfolgung ist gegen die Art der Straftat, deren der Betroffene verdächtigt wird, abzuwägen. ³Besonders grausame Handlungen können als schwere Verbrechen des gemeinen Rechts eingestuft werden, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt werden. Dies gilt sowohl für die an diesen Straftaten Beteiligten als auch für ihre Anstifter.

iii) sie sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen;

(2) 

Diese Ausschlussgründe nach Absatz 1 beziehen sich nur auf das persönliche Verhalten der betreffenden Personen. ²Die entsprechenden Beschlüsse oder Maßnahmen tragen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung.

KAPITEL IX

Schlussbestimmungen

Artikel 29

Die Personen, die von einem Mitgliedstaat vom vorübergehenden Schutz oder von der Familienzusammenführung ausgeschlossen worden sind, sind berechtigt, in dem betreffenden Mitgliedstaat Rechtsbehelfe einzulegen.

Artikel 30

Die Mitgliedstaaten legen die Regeln für Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um deren Durchsetzung zu gewährleisten. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

Artikel 31

(1) Spätestens zwei Jahre nach Ablauf der in Artikel 32 gesetzten Frist erstattet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie in den Mitgliedstaaten und schlägt gegebenenfalls die notwendigen Änderungen vor. ²Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission alle für die Erstellung dieses Berichts erforderlichen Informationen.

(2) 

Nach Vorlage des Berichts nach Absatz 1 erstattet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat mindestens alle fünf Jahre Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie in den Mitgliedstaaten.

Artikel 32

(1) Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens zum 31. Dezember 2002 nachzukommen. ²Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

(2) 

Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. ²Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

Artikel 33

Diese Richtlinie tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft.

Artikel 34

Diese Richtlinie ist gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am 20. Juli 2001.

Im Namen des Rates

Der Präsident

J. Vande Lanotte

(1) ABl. C 311 E vom 31.10.2000, S. 251.

(2) Stellungnahme vom 13. März 2001 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(3) ABl. C 155 vom 29.5.2001, S. 21.

(4) Stellungnahme vom 13. Juni 2001 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(5) ABl. C 262 vom 7.10.1995, S. 1.

(6) ABl. L 63 vom 13.3.1996, S. 10.

(7) ABl. C 19 vom 20.1.1999, S. 1.

(8) ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.

(9) 

ABl. L 252 vom 6.10.2000, S. 12.

ANHANG I

>PIC FILE= "L_2001212DE.002102.TIF">

ANHANG II

Die Informationen nach den Artikeln 10, 15 und 26 umfassen je nach Bedarf eines oder mehrere der nachstehend aufgeführten Dokumente oder Angaben:

Der Mitgliedstaat, der die Informationen übermittelt hat, teilt dem ersuchenden Mitgliedstaat etwaige Richtigstellungen von Informationen mit.

Art. 2

© freiRecht.deQuelle: © Europäische Union, http://eur-lex.europa.eu, 1998–2018