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Verordnung (EG) 1997/1466

Verordnung (EG) 1997/1466

Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken

ABSCHNITT 1: ZWECK DER VERORDNUNG UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

Art. 1

In dieser Verordnung werden die Regeln für den Inhalt, die Vorlage und die Prüfung der Stabilitätsprogramme und Konvergenzprogramme und für die Beobachtung von deren Umsetzung im Rahmen der multilateralen Überwachung durch den Rat und die Kommission festgelegt, um das Entstehen übermäßiger öffentlicher Defizite bereits in einem frühen Stadium zu verhindern, die Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitik zu fördern und dadurch die Erreichung der Ziele der Union für Wachstum und Beschäftigung zu unterstützen.

Art. 2

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

a)
„teilnehmende Mitgliedstaaten“ die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist;
b)
„nicht teilnehmende Mitgliedstaaten“ alle anderen Mitgliedstaaten.



: EUROPÄISCHES SEMESTER FÜR DIE WIRTSCHAFTSPOLITISCHE KOORDINIERUNG

Art. Artikel 2-a

(1) Um eine engere Koordinierung der Wirtschaftspolitik und eine dauerhafte Konvergenz der Wirtschaftsleistung der Mitgliedstaaten zu gewährleisten, führt der Rat die multilaterale Überwachung als integralen Bestandteil des Europäischen Semesters für die wirtschaftspolitische Koordinierung im Einklang mit den im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) festgelegten Zielen und Anforderungen durch.

(2) Dieses Europäische Semester umfasst:

a)
die Bestimmung und Überwachung der Umsetzung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Union (Grundzüge der Wirtschaftspolitik) nach Maßgabe des Artikel 121 Absatz 2 AEUV;
b)
die Bestimmung und Prüfung der Umsetzung der von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 148 Absatz 2 AEUV zu berücksichtigenden beschäftigungspolitischen Leitlinien (beschäftigungspolitische Leitlinien);
c)
die Übermittlung und Bewertung der Stabilitäts- oder Konvergenzprogramme der Mitgliedstaaten nach dieser Verordnung;
d)
die Übermittlung und Bewertung der nationalen Reformprogramme der Mitgliedstaaten zur Unterstützung der Strategie der Union für Wachstum und Beschäftigung, die gemäß den Leitlinien der Buchstaben a und b und den für die Mitgliedstaaten von der Kommission und vom Europäischen Rat zu Beginn des jährlichen Überwachungszyklus aufgestellten allgemeinen Leitlinien erarbeitet wurden;
e)
die Überwachung zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte gemäß Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte .

(3) 

Im Sinne einer rechzeitigen und integrierten politischen Beratung im Hinblick auf makrofinanzpolitische und makrostrukturpolitische Vorhaben erstellt der Rat im Verlauf des Europäischen Semesters nach Bewertung dieser Programme auf der Grundlage der Empfehlungen der Kommission unter Nutzung der Rechtsinstrumente gemäß Artikel 121 und 148 AEUV und dieser Verordnung sowie der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 in der Regel Leitlinien für die Mitgliedstaaten.

²Die Mitgliedstaaten berücksichtigen die an sie gerichteten Leitlinien bei der Entwicklung ihrer Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Haushaltspolitik gebührend, ehe sie die wesentlichen Beschlüsse über die nationalen Haushalte für die kommenden Jahre fassen. ³Die entsprechenden Fortschritte werden von der Kommission kontrolliert.

Handelt ein Mitgliedstaat nicht entsprechend den an ihn gerichteten Leitlinien, so kann dies folgende Maßnahmen nach sich ziehen:

a)
weiteren Empfehlungen für spezifische Maßnahmen;
b)
einer Verwarnung durch die Kommission gemäß Artikel 212 Absatz 4 AEUV;
c)
Maßnahmen gemäß dieser Verordnung, der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 oder der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011.

Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird von der Kommission verstärkt überwacht und kann Überwachungsmissionen gemäß Artikel -11 dieser Verordnung einschließen.

(4) 

Das Europäische Parlament wird in das Europäische Semester umfassend eingebunden, um die Transparenz, die Eigenverantwortung und die Rechenschaftspflicht für die getroffenen Entscheidungen zu steigern, insbesondere über den Wirtschaftlichen Dialog gemäß Artikel 2-ab dieser Verordnung. ²Der Wirtschafts- und Finanzausschuss, der Ausschuss für Wirtschaftspolitik, der Beschäftigungsausschuss und der Ausschuss für Sozialschutz werden gegebenenfalls im Rahmen des Europäischen Semesters konsultiert. ³Die einschlägigen Beteiligten, insbesondere die Sozialpartner, werden im Rahmen des Europäischen Semesters gegebenenfalls in Bezug auf die zentralen politischen Fragen gemäß den Bestimmungen des AEUV und der nationalen rechtlichen und politischen Regelungen eingebunden.

Der Präsident des Rates und die Kommission gemäß Artikel 121 AEUV sowie gegebenenfalls der Präsident der Euro-Gruppe erstatten dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat jährlich Bericht über die Ergebnisse der multilateralen Überwachung. Diese Berichte sollten Bestandteil des Wirtschaftlichen Dialogs gemäß Artikel 2-ab dieser Verordnung sein.



: WIRTSCHAFTLICHER DIALOG

Art. Artikel 2-ab

(1) Zur Verbesserung des Dialogs zwischen den Organen der Union, insbesondere zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission und um ein höheres Maß an Transparenz und Rechenschaftspflicht zu gewährleisten, kann der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments den Präsidenten des Rates, die Kommission und gegebenenfalls den Präsidenten des Europäischen Rates oder den Präsidenten der Euro-Gruppe einladen, vor dem Ausschuss zu erscheinen, um Folgendes zu erörtern:

a)
die dem Ausschuss vom Rat übermittelten Informationen über die Grundzüge der Wirtschaftspolitik gemäß Artikel 121 Absatz 2 AEUV;
b)
die von der Kommission zu Beginn des jährlichen Zyklus der Überwachung an die Adresse der Mitgliedstaaten gerichteten allgemeinen Leitlinien;
c)
die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates über die Grundzüge der Wirtschaftspolitik im Rahmen des Europäischen Semesters;
d)
die Ergebnisse der gemäß dieser Verordnung durchgeführten multilateralen Überwachung;
e)
die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zu den Leitlinien für die multilaterale Überwachung und zu deren Ergebnissen;
f)
die Überprüfungen der Durchführung der multilateralen Überwachung am Ende des Europäischen Semesters;
g)
die Empfehlungen des Rates an die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 121 Absatz 4 AEUV bei erheblichen Abweichungen und den Bericht des Rates an den Europäischen Rat gemäß Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 10 Absatz 2 dieser Verordnung.

(2) Vom Rat wird grundsätzlich erwartet, den Empfehlungen und Vorschlägen der Kommission zu folgen oder aber seine Haltung öffentlich zu erläutern.

(3) Der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments kann einem Mitgliedstaat, an den eine Empfehlung des Rates gemäß Artikel 6 Absatz 2 oder Artikel 10 Absatz 2 gerichtet wurde, die Gelegenheit bieten, an einer Aussprache teilzunehmen.

(4) 

Der Rat und die Kommission unterrichten das Europäische Parlament regelmäßig über die Anwendung dieser Verordnung.



ABSCHNITT 1A: MITTELFRISTIGE HAUSHALTSZIELE

Art. 2a

Jeder Mitgliedstaat setzt sich ein differenziertes mittelfristiges Haushaltsziel für seine Haushaltslage. ²Diese länderspezifischen mittelfristigen Haushaltsziele können von der Anforderung eines nahezu ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden Haushalts abweichen und gleichzeitig eine Sicherheitsmarge im Hinblick auf die öffentliche Defizitquote von 3 % des BIP vorsehen. ³Diese mittelfristigen Haushaltsziele gewährleisten tragfähige öffentliche Finanzen oder einen raschen Fortschritt in Richtung auf eine solche Tragfähigkeit und eröffnen gleichzeitig einen haushaltspolitischen Spielraum, wobei insbesondere der Notwendigkeit von öffentlichen Investitionen Rechnung getragen wird.

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren bewegen sich die länderspezifischen mittelfristigen Haushaltsziele für die teilnehmenden Mitgliedstaaten und für die Mitgliedstaaten, die am WKM2 teilnehmen innerhalb einer konkreten Spanne, die konjunkturbereinigt und ohne Anrechnung einmaliger und befristeter Maßnahmen zwischen -1 % des BIP und einem ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden Haushalt liegt.

Das mittelfristige Haushaltsziel wird alle drei Jahre überprüft. Das mittelfristige Haushaltsziel eines Mitgliedstaats kann weiter angepasst werden, wenn eine strukturelle Reform mit erheblichen Auswirkungen auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen umgesetzt wird.

Die Einhaltung des mittelfristigen Haushaltsziels wird gemäß Kapitel IV der Richtlinie 2011/85/EU vom 8. November 2011 des Rates über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten  in den nationalen mittelfristigen Haushaltsrahmen aufgenommen.



ABSCHNITT 2: STABILITÄTSPROGRAMME

Art. 3

(1) 

Jeder teilnehmende Mitgliedstaat legt dem Rat und der Kommission die zur regelmäßigen multilateralen Überwachung im Sinne von Artikel 121 AEUV erforderlichen Angaben in Form eines Stabilitätsprogramms vor, das eine wesentliche Grundlage für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen bildet, welche der Preisstabilität, starkem, nachhaltigem Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen förderlich ist.

(2) 

Stabilitätsprogramme liefern folgende Angaben:

a)
das mittelfristige Haushaltsziel sowie den Anpassungspfad in Richtung auf dieses Ziel für den gesamtstaatlichen Haushaltssaldo in Prozent des BIP, die voraussichtliche Entwicklung der öffentlichen Schuldenquote, den bei den Staatsausgaben — einschließlich der entsprechenden Ausgaben für Bruttoanlageinvestitionen — geplanten Wachstumspfad, insbesondere unter Berücksichtigung der Bedingungen und Kriterien für die Feststellung des Ausgabenwachstums gemäß Artikel 5 Absatz 1, den bei den Staatseinnahmen geplanten Wachstumspfad bei unveränderter Politik sowie eine Quantifizierung der auf der Einnahmenseite geplanten diskretionären Maßnahmen;
aa)
Informationen über implizite Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Bevölkerungsalterung sowie Eventualverbindlichkeiten wie staatliche Bürgschaften mit möglicherweise erheblichen Auswirkungen auf den gesamtstaatlichen Haushalt;
ab)
Informationen zur Vereinbarkeit des Stabilitätsprogramms mit den Grundzügen der Wirtschaftspolitik und dem nationalen Reformprogramm;
b)
die Hauptannahmen über die voraussichtliche wirtschaftliche Entwicklung und über wichtige ökonomische Variablen, die für die Erreichung des Stabilitätsprogramms von Belang sind, wie Ausgaben für öffentliche Investitionen, reales BIP-Wachstum, Beschäftigung und Inflation;
c)
eine quantitative Bewertung der haushaltspolitischen und sonstigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die zur Erreichung der Programmziele unternommen oder vorgeschlagen werden, darunter eine Kosten-Nutzen-Analyse für größere Strukturreformen, die — auch durch Steigerung des potentiellen nachhaltigen Wachstums — direkte langfristige positive Auswirkungen auf den Haushalt haben;

d)
eine Untersuchung der Auswirkungen von Änderungen bei den wichtigsten ökonomischen Annahmen auf die Haushalts- und Verschuldenslage;

e)
gegebenenfalls die Gründe für eine Abweichung von dem geforderten Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel.

²(2a)  Das Stabilitätsprogramm muss auf dem wahrscheinlichsten makrobudgetären Szenario oder auf einem vorsichtigeren Szenario basieren. ³Die makroökonomischen und haushaltspolitischen Prognosen werden mit den aktuellsten Prognosen der Kommission und gegebenenfalls denjenigen anderer unabhängiger Gremien verglichen. Erhebliche Abweichungen zwischen dem gewählten makrobudgetären Szenario und den Prognosen der Kommission müssen begründet werden, insbesondere wenn der Umfang oder die Höhe der externen Annahmen erheblich von den Angaben in den Prognosen der Kommission abweichen.

Die genaue Art der Angaben in Absatz 2 Buchstaben a, aa, b, c und d wird von der Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten in einem harmonisierten Rahmen dargelegt.

(3) Die Angaben zur Entwicklung von gesamtstaatlichem Haushaltsaldo und gesamtstaatlicher Schuldenquote, zum Wachstum der Staatsausgaben, zu dem bei den Staatseinnahmen geplanten Wachstumspfad bei unveränderter Politik, zu den auf der Einnahmenseite geplanten, angemessen quantifizierten diskretionären Maßnahmen sowie den in Absatz 2 Buchstaben a und b genannten wichtigsten ökonomischen Annahmen werden auf Jahresbasis erstellt und beziehen sich auf das Vorjahr, das laufende Jahr und mindestens die drei folgenden Jahre.

(4) Jedes Programm enthält Informationen über seinen Status im Rahmen der nationalen Verfahren und insbesondere darüber, ob das Programm dem nationalen Parlament vorgelegt wurde und ob das nationale Parlament die Möglichkeit hatte, die Stellungnahme des Rates zu dem vorhergehenden Programm oder gegebenenfalls Empfehlungen oder Verwarnungen zu erörtern, und ob das Programm vom Parlament gebilligt wurde.

Art. 4

(1) Stabilitätsprogramme sind alljährlich im April, vorzugsweise bis Mitte April und spätestens am 30. April, vorzulegen.

(2) Die Mitgliedstaaten veröffentlichen ihre Stabilitätsprogramme.

Art. 5

(1) 

Auf der Grundlage von Bewertungen der Kommission und des Wirtschafts- und Finanzausschusses prüft der Rat im Rahmen der multilateralen Überwachung nach Artikel 121 AEUV das von dem betreffenden Mitgliedstaat angegebene mittelfristige Haushaltsziel nach den Angaben in seinem Stabilitätsprogramm; ferner bewertet er, ob die ökonomischen Annahmen, auf denen das Programm beruht, plausibel sind, ob der Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel angemessen ist — einschließlich der Prüfung des begleitenden Pfades für die Schuldenquote — und ob die laufenden oder vorgeschlagenen Maßnahmen zur Einhaltung dieses Anpassungspfads ausreichen, um das mittelfristige Haushaltsziel im Laufe des Konjunkturzyklus zu erreichen.

²Der Rat und die Kommission prüfen bei der Beurteilung des Anpassungspfads in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel, ob der betreffende Mitgliedstaat eine zur Erreichung dieses mittelfristigen Haushaltsziels angemessene jährliche Verbesserung seines konjunkturbereinigten Haushaltssaldos ohne Anrechnung einmaliger und sonstiger befristeter Maßnahmen verfolgt, wobei ein Richtwert von 0,5 % des BIP zugrunde gelegt wird. ³Bei Mitgliedstaaten mit einem Schuldenstand von über 60 % des BIP oder mit ausgeprägten Risiken hinsichtlich der Tragfähigkeit ihrer Gesamtschulden prüfen der Rat und die Kommission, ob die jährliche Verbesserung des konjunkturbereinigten Haushaltssaldos ohne einmalige und sonstige befristete Maßnahmen über 0,5 % des BIP hinausgeht. Der Rat und die Kommission berücksichtigen dabei, ob in Zeiten guter wirtschaftlicher Entwicklung stärkere Anpassungsanstrengungen unternommen werden, während die Anstrengungen in Zeiten schlechter wirtschaftlicher Entwicklung geringer ausfallen könnten. Insbesondere sind unerwartete Mehr- und Mindereinnahmen zu berücksichtigen.

Ausreichende Fortschritte in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel werden auf der Grundlage einer Gesamtbewertung evaluiert, bei der der strukturelle Haushaltsaldo als Referenz dient, einschließlich einer Analyse der Ausgaben ohne Anrechnung diskretionärer einnahmenseitiger Maßnahmen. Hierzu prüfen der Rat und die Kommission, ob das Wachstum der Staatsausgaben bei gleichzeitiger Berücksichtigung der einnahmenseitig getroffenen oder geplanten Maßnahmen im Einklang mit den folgenden Bedingungen steht:

a)
bei Mitgliedstaaten, die das mittelfristige Haushaltsziel erreicht haben, geht das jährliche Ausgabenwachstum nicht über eine mittelfristige Referenzrate des potenziellen BIP-Wachstums hinaus, es sei denn, eine Überschreitung wird durch diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen in gleicher Höhe ausgeglichen;
b)
bei Mitgliedstaaten, die ihr mittelfristiges Haushaltsziel noch nicht erreicht haben, liegt das jährliche Ausgabenwachstum unterhalb einer mittelfristigen Referenzrate des potenziellen BIP-Wachstums, es sei denn, eine Überschreitung wird durch diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen in gleicher Höhe ausgeglichen; der Abstand der Staatsausgaben-Wachstumsrate zu einer mittelfristigen Referenzrate des potenziellen BIP-Wachstums wird so festgesetzt, dass eine angemessene Korrektur in Richtung des mittelfristigen Haushaltsziels sichergestellt ist;
c)
bei Mitgliedstaaten, die ihr mittelfristiges Haushaltsziel noch nicht erreicht haben, wird jede diskretionäre Senkung der Staatseinnahmen entweder durch Ausgabenkürzungen oder durch eine diskretionäre Erhöhung anderer Staatseinnahmen in gleicher Höhe oder durch beides ausgeglichen.

Die Gesamtausgaben dürfen keine Zinszahlungen, keine Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und keine nicht-diskretionären Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung beinhalten.

Ein Ausgabenwachstum, das über die mittelfristige Referenzrate hinausgeht, darf nicht als Verletzung des Richtwerts betrachtet werden, insofern es vollständig durch gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen ausgeglichen wird.

Die mittelfristige Referenzrate des potenziellen BIP-Wachstums wird auf der Grundlage vorwärts gerichteter Projektionen und rückwärts gerichteter Schätzungen bestimmt. ¹⁰Die Projektionen werden regelmäßig aktualisiert. ¹¹Die Kommission veröffentlicht die Berechnungsmethode für diese Projektionen und die daraus abgeleitete mittelfristige Referenzrate des potenziellen BIP-Wachstums.

Bei der Festlegung des Anpassungspfads zur Erreichung des mittelfristigen Haushaltsziels für Mitgliedstaaten, die dieses Ziel noch nicht erreicht haben, und wenn Mitgliedstaaten, die es bereits erreicht haben, eine befristete Abweichung von diesem Ziel eingeräumt wird, sofern eine angemessene Sicherheitsmarge zum Defizit-Referenzwert beibehalten und erwartet wird, dass die Haushaltslage im Programmzeitraum wieder zum mittelfristigen Haushaltsziel zurückkehrt, tragen der Rat und die Kommission größeren Strukturreformen Rechnung, die — auch durch Steigerung des nachhaltigen Potenzialwachstums — direkte langfristige positive Auswirkungen auf den Haushalt und mithin nachprüfbare Auswirkungen auf die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen haben.

¹³Besondere Aufmerksamkeit gilt Rentenreformen, durch die ein Mehrsäulensystem mit einer gesetzlichen, vollständig kapitalgedeckten Säule eingeführt wird. ¹⁴Mitgliedstaaten, die solche Reformen durchführen, dürfen vom Anpassungspfad in Richtung auf ihr mittelfristiges Haushaltsziel oder von dem Ziel selbst mit der Maßgabe abweichen, dass die Abweichung der Höhe der unmittelbaren zusätzlichen Auswirkungen der Reform auf den gesamtstaatlichen Haushaltsaldo entspricht und vorausgesetzt, eine angemessene Sicherheitsmarge zum Defizit-Referenzwert wird beibehalten.

Der Rat und die Kommission prüfen ferner, ob das Stabilitätsprogramm die Erreichung dauerhafter und echter Konvergenz im Euro-Währungsgebiet und eine engere Koordinierung der Wirtschaftspolitik erleichtert und ob die Wirtschaftspolitik des betreffenden Mitgliedstaats mit den Grundzügen der Wirtschaftspolitik und den beschäftigungspolitischen Leitlinien der Mitgliedstaaten und der Union vereinbar ist.

Bei einem außergewöhnlichen Ereignis, das sich der Kontrolle des betreffenden Mitgliedstaats entzieht und erhebliche Auswirkungen auf die Lage der öffentlichen Finanzen hat, oder bei einem schweren Konjunkturabschwung im Euro-Währungsgebiet oder in der Union insgesamt kann den Mitgliedstaaten gestattet werden, vorübergehend von dem Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel gemäß Unterabsatz 3 abzuweichen, vorausgesetzt, dies gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.

(2) Der Rat und die Kommission prüfen das Stabilitätsprogramm innerhalb von höchstens drei Monaten nach Vorlage des Programms. ²Der Rat nimmt auf Empfehlung der Kommission und nach Anhörung des Wirtschafts- und Finanzausschusses bei Bedarf eine Stellungnahme zu dem Programm an. ³Gelangt der Rat gemäß Artikel 121 AEUV zu der Auffassung, dass die Ziele und Inhalte des Programms mit besonderem Verweis auf den Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel anspruchsvoller formuliert werden sollten, fordert er den betreffenden Mitgliedstaat in seiner Stellungnahme zur Anpassung des Programms auf.

Art. 6

(1) Im Rahmen der multilateralen Überwachung gemäß Artikel 121 Absatz 3 AEUV überwachen der Rat und die Kommission anhand von Angaben der teilnehmenden Mitgliedstaaten sowie von Bewertungen der Kommission und des Wirtschafts- und Finanzausschusses die Umsetzung der Stabilitätsprogramme, um dabei insbesondere tatsächliche oder erwartete erhebliche Abweichungen der Haushaltslage vom mittelfristigen Haushaltsziel oder von einem angemessenen Anpassungspfad in Richtung auf dieses Ziel zu ermitteln.

(2) 

Bei einer festgestellten erheblichen Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 Unterabsatz 3 richtet die Kommission zur Vermeidung eines übermäßigen Defizits eine Verwarnung an den betreffenden Mitgliedstaat gemäß Artikel 121 Absatz 4 AEUV.

²Der Rat prüft innerhalb eines Monats nach dem Zeitpunkt der Annahme der Verwarnung gemäß Unterabsatz 1 die Lage und nimmt auf der Grundlage einer Empfehlung der Kommission gemäß Artikel 121 Absatz 4 AEUV eine Empfehlung über die erforderlichen politischen Maßnahmen an. ³In der Empfehlung wird eine Frist von höchstens fünf Monaten für die Behebung der Abweichung festgelegt. Die Frist wird auf drei Monate verkürzt, wenn die Kommission in ihrer Verwarnung zu der Auffassung gelangt, dass die Lage besonders ernst ist und dringende Maßnahmen erfordert. Der Rat macht seine Empfehlung auf Vorschlag der Kommission öffentlich.

Der betreffende Mitgliedstaat erstattet dem Rat innerhalb der Frist, die der Rat in der Empfehlung gemäß Artikel 121 Absatz 4 AEUV festlegt, Bericht über die auf die Empfehlung hin ergriffenen Maßnahmen.

Ergreift der betreffende Mitgliedstaat nicht innerhalb der Frist, die in einer Empfehlung des Rates im Sinne von Unterabsatz 2 festgesetzt wurde, angemessene Maßnahmen, so empfiehlt die Kommission dem Rat unverzüglich, mit qualifizierter Mehrheit einen Beschluss mit der Feststellung anzunehmen, dass keine wirksamen Maßnahmen ergriffen wurden. Gleichzeitig kann die Kommission dem Rat vorschlagen, eine überarbeitete Empfehlung über die erforderlichen politischen Maßnahmen gemäß Artikel 121 Absatz 4 AEUV anzunehmen.

Nimmt der Rat nicht auf Empfehlung der Kommission den Beschluss an, dass keine wirksamen Maßnahmen ergriffen wurden, und unterlässt es der betreffende Mitgliedstaat weiterhin, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, so empfiehlt die Kommission einen Monat nach ihrer früheren Empfehlung dem Rat, den Beschluss anzunehmen, dass keine wirksamen Maßnahmen ergriffen wurden. ¹⁰Wird der Beschluss nicht innerhalb von zehn Tagen nach der Annahme durch die Kommission vom Rat mit einfacher Mehrheit abgelehnt, so gilt er als vom Rat angenommen. ¹¹Gleichzeitig kann die Kommission dem Rat vorschlagen, eine überarbeitete Empfehlung über die erforderlichen politischen Maßnahmen gemäß Artikel 121 Absatz 4 AEUV anzunehmen.

An der Abstimmung über den Beschluss über die Nichteinhaltung gemäß den Unterabsätzen 4 und 5 nehmen nur die Mitglieder des Rates teil, die teilnehmende Mitgliedstaaten vertreten, und der Rat beschließt ohne Berücksichtigung der Stimme des den betreffenden Mitgliedstaat vertretenden Mitglieds des Rates.

Der Rat legt dem Europäischen Rat einen förmlichen Bericht über die so gefassten Beschlüsse vor.

(3) 

Eine Abweichung von dem mittelfristigen Haushaltsziel oder von dem angemessenen Anpassungspfad in Richtung auf dieses Ziel wird auf der Grundlage einer Gesamtbewertung evaluiert, bei der der strukturelle Haushaltssaldo als Referenz dient, einschließlich einer Analyse der Ausgaben ohne Anrechnung diskretionärer einnahmenseitiger Maßnahmen, wie in Artikel 5 Absatz 1 festgelegt.

Für die Bewertung, ob die Abweichung erheblich ist, werden insbesondere folgende Kriterien herangezogen:

a)
Bei Mitgliedstaaten, die das mittelfristige Haushaltsziel nicht erreicht haben, bei der Beurteilung der Veränderung des strukturellen Haushaltssaldos, ob die Abweichung in einem Jahr mindestens 0,5 % des BIP oder in zwei aufeinanderfolgenden Jahren im Durchschnitt mindestens 0,25 % des BIP jährlich beträgt;
b)
bei der Beurteilung der Ausgabenentwicklung ohne Anrechnung diskretionärer einnahmenseitiger Maßnahmen, ob die Abweichung eine Gesamtauswirkung auf den Haushaltssaldo von mindestens 0,5 % des BIP in einem Jahr oder kumulativ in zwei aufeinanderfolgenden Jahren hat.

Die Abweichung der Ausgabenentwicklung gilt nicht als erheblich, wenn der betreffende Mitgliedstaat sein mittelfristiges Haushaltsziel übertroffen hat, wobei der Möglichkeit erheblicher unerwarteter Mehreinnahmen Rechnung getragen wird, und wenn die im Stabilitätsprogramm dargelegten Haushaltspläne dieses Ziel im Programmzeitraum nicht gefährden.

Ebenfalls unberücksichtigt bleiben kann eine solche Abweichung bei einem außergewöhnlichen Ereignis, das sich der Kontrolle des betreffenden Mitgliedstaats entzieht und die Lage der öffentlichen Finanzen erheblich beeinträchtigt, oder bei einem schweren Konjunkturabschwung im Euro-Währungsgebiet oder in der Union insgesamt, vorausgesetzt, dies gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.



ABSCHNITT 3: KONVERGENZPROGRAMME

Art. 7

(1) 

Jeder nicht teilnehmende Mitgliedstaat legt dem Rat und der Kommission die zur regelmäßigen multilateralen Überwachung im Sinne von Artikel 121 AEUV erforderlichen Angaben in Form eines Konvergenzprogramms vor, das eine wesentliche Grundlage für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen bildet, welche der Preisstabilität, starkem, nachhaltigem Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen förderlich ist.

(2) 

Konvergenzprogramme liefern folgende Angaben, insbesondere zu den im Zusammenhang mit den Konvergenzkriterien stehenden Variablen:

a)
das mittelfristige Haushaltsziel sowie den Anpassungspfad in Richtung auf dieses Ziel für den gesamtstaatlichen Haushaltssaldo in Prozent des BIP, die voraussichtliche Entwicklung der öffentlichen Schuldenquote, den bei den Staatsausgaben — einschließlich der entsprechenden Ausgaben für Bruttoanlageinvestitionen — geplanten Wachstumspfad, insbesondere unter Berücksichtigung der Bedingungen und Kriterien für die Feststellung des Ausgabenwachstums gemäß Artikel 9 Absatz 1, den bei den Staatseinnahmen geplanten Wachstumspfad bei unveränderter Politik sowie eine Quantifizierung der auf der Einnahmenseite geplanten diskretionären Maßnahmen, die mittelfristigen geldpolitischen Ziele und die Beziehung dieser Ziele zur Preis- und Wechselkursstabilität sowie zur Erreichung dauerhafter Konvergenz;
aa)
Informationen über implizite Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Bevölkerungsalterung sowie Eventualverbindlichkeiten, wie staatliche Bürgschaften mit möglicherweise erheblichen Auswirkungen auf den gesamtstaatlichen Haushalt;
ab)
Informationen zur Vereinbarkeit des Konvergenzprogramms mit den Grundzügen der Wirtschaftspolitik und dem nationalen Reformprogramm;
b)
die Hauptannahmen über die voraussichtliche wirtschaftliche Entwicklung und über wichtige ökonomische Variablen, die für die Erreichung des Konvergenzprogramms von Belang sind, wie Ausgaben für öffentliche Investitionen, reales BIP-Wachstum, Beschäftigung und Inflation;
c)
eine quantitative Bewertung der haushaltspolitischen und sonstigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die zur Erreichung der Programmziele unternommen oder vorgeschlagen werden, darunter eine Kosten-Nutzen-Analyse für größere Strukturreformen, die — auch durch Steigerung des potentiellen nachhaltigen Wachstums — direkte langfristige positive Auswirkungen auf den Haushalt haben;

d)
eine Untersuchung der Auswirkungen von Änderungen bei den wichtigsten ökonomischen Annahmen auf die Haushalts- und Verschuldungslage;

e)
gegebenenfalls die Gründe für eine Abweichung von dem geforderten Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel.

²(2a)  Das Konvergenzprogramm muss auf dem wahrscheinlichsten makrobudgetären Szenario oder auf einem vorsichtigeren Szenario basieren. ³Die makroökonomischen und haushaltspolitischen Prognosen werden mit den aktuellsten Prognosen der Kommission und gegebenenfalls denjenigen anderer unabhängiger Gremien verglichen. Erhebliche Abweichungen zwischen dem gewählten makrobudgetären Szenario und den Prognosen der Kommission müssen begründet werden, insbesondere wenn der Umfang oder die Höhe der externen Annahmen erheblich von den Angaben in den Prognosen der Kommission abweichen.

Die genaue Art der Angaben in Absatz 2 Buchstaben a, aa, b, c und d wird von der Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten in einem harmonisierten Rahmen dargelegt.

(3) Die Angaben zur Entwicklung von gesamtstaatlichem Haushaltssaldo und gesamtstaatlicher Schuldenquote, zum Wachstum der Staatsausgaben, zu dem bei den Staatseinnahmen geplanten Wachstumspfad bei unveränderter Politik, zu den auf der Einnahmenseite geplanten, angemessen quantifizierten diskretionären Maßnahmen sowie den in Absatz 2 Buchstaben a und b genannten wichtigsten ökonomischen Annahmen werden auf Jahresbasis erstellt und beziehen sich auf das Vorjahr, das laufende Jahr und mindestens die drei folgenden Jahre.

(4) Jedes Programm enthält Informationen über seinen Status im Rahmen der nationalen Verfahren und insbesondere darüber, ob das Programm dem nationalen Parlament vorgelegt wurde und ob das nationale Parlament die Möglichkeit hatte, die Stellungnahme des Rates zu dem vorhergehenden Programm oder gegebenenfalls Empfehlungen oder Verwarnungen zu erörtern, und ob das Programm vom Parlament gebilligt wurde.

Art. 8

(1) Konvergenzprogramme sind alljährlich im April, vorzugsweise bis Mitte April und spätestens am 30. April, vorzulegen.

(2) Die Mitgliedstaaten veröffentlichen ihre Konvergenzprogramme.

Art. 9

(1) 

Auf der Grundlage von Bewertungen der Kommission und des Wirtschafts- und Finanzausschusses prüft der Rat im Rahmen der multilateralen Überwachung nach Artikel 121 AEUV die von den betreffenden Mitgliedstaaten in ihren Konvergenzprogrammen angegebenen mittelfristigen Haushaltsziele; ferner bewertet er, ob die ökonomischen Annahmen, auf denen das Programm beruht, plausibel sind, ob der Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel angemessen ist — einschließlich der Prüfung des begleitenden Pfades für die Schuldenquote — und ob die laufenden oder vorgeschlagenen Maßnahmen zur Einhaltung dieses Anpassungspfads ausreichen, um das mittelfristige Ziel im Laufe des Konjunkturzyklus sowie nachhaltige Konvergenz zu erreichen.

²Der Rat und die Kommission berücksichtigen bei der Beurteilung des Anpassungspfads in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel, ob in Zeiten guter wirtschaftlicher Entwicklung stärkere Anpassungsanstrengungen unternommen werden, während die Anstrengungen in Zeiten schlechter wirtschaftlicher Entwicklung geringer ausfallen könnten. ³Insbesondere sind unerwartete Mehr- und Mindereinnahmen zu berücksichtigen. Bei Mitgliedstaaten mit einem Schuldenstand von über 60 % des BIP oder mit ausgeprägten Risiken hinsichtlich der Tragfähigkeit ihrer Gesamtschulden prüfen der Rat und die Kommission, ob die jährliche Verbesserung des konjunkturbereinigten Haushaltssaldos ohne einmalige und sonstige befristete Maßnahmen erheblich über 0,5 % des BIP hinausgeht. Bei Mitgliedstaaten, die am WKM2 teilnehmen, prüfen der Rat und die Kommission, ob der betreffende Mitgliedstaat eine zur Erreichung seines mittelfristigen Haushaltsziels angemessene jährliche Verbesserung seines konjunkturbereinigten Haushaltssaldos ohne Anrechnung einmaliger und sonstiger befristeter Maßnahmen verfolgt, wobei ein Richtwert von 0,5 % des BIP zugrunde gelegt wird.

Ausreichende Fortschritte in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel werden auf der Grundlage einer Gesamtbewertung evaluiert, bei der der strukturelle Haushaltssaldo als Referenz dient, einschließlich einer Analyse der Ausgaben ohne Anrechnung diskretionärer einnahmenseitiger Maßnahmen. Hierzu prüfen der Rat und die Kommission, ob das Wachstum der Staatsausgaben bei gleichzeitiger Berücksichtigung der einnahmenseitig getroffenen oder geplanten Maßnahmen im Einklang mit den folgenden Bedingungen steht:

a)
bei Mitgliedstaaten, die das mittelfristige Haushaltsziel erreicht haben, geht das jährliche Ausgabenwachstum nicht über eine mittelfristige Referenzrate des potenziellen BIP-Wachstums hinaus, es sei denn, eine Überschreitung wird durch diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen in gleicher Höhe ausgeglichen;
b)
bei Mitgliedstaaten, die ihr mittelfristiges Haushaltsziel noch nicht erreicht haben, liegt das jährliche Ausgabenwachstum unterhalb einer mittelfristigen Referenzrate des potenziellen BIP-Wachstums, es sei denn, eine Überschreitung wird durch diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen in gleicher Höhe ausgeglichen; der Abstand der Staatsausgaben-Wachstumsrate zu einer mittelfristigen Referenzrate des potenziellen BIP-Wachstums wird so festgesetzt, dass eine angemessene Korrektur in Richtung des mittelfristigen Haushaltsziels sichergestellt ist;
c)
bei Mitgliedstaaten, die ihr mittelfristiges Haushaltsziel noch nicht erreicht haben, wird jede diskretionäre Senkung der Staatseinnahmen entweder durch Ausgabenkürzungen oder durch eine diskretionäre Erhöhung anderer Staatseinnahmen in gleicher Höhe oder durch beides ausgeglichen.

Die Gesamtausgaben dürfen keine Zinszahlungen, keine Ausgaben für Unionsprogramme, die vollständig durch Einnahmen aus Fonds der Union ausgeglichen werden, und keine nicht-diskretionären Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung beinhalten.

Ein Ausgabenwachstum, das über die mittelfristige Referenzrate hinausgeht, darf nicht als Verletzung des Richtwerts betrachtet werden, insofern es vollständig durch gesetzlich vorgeschriebene Einnahmensteigerungen ausgeglichen wird.

Die mittelfristige Referenzrate des potenziellen BIP-Wachstums wird auf der Grundlage vorwärts gerichteter Projektionen und rückwärts gerichteter Schätzungen bestimmt. ¹⁰Die Projektionen werden regelmäßig aktualisiert. ¹¹Die Kommission veröffentlicht die Berechnungsmethode für diese Projektionen und die daraus abgeleitete mittelfristige Referenzrate des potenziellen BIP-Wachstums.

Bei der Festlegung des Anpassungspfads zur Erreichung des mittelfristigen Haushaltsziels für Mitgliedstaaten, die dieses Ziel noch nicht erreicht haben, und wenn Mitgliedstaaten, die es bereits erreicht haben, eine befristete Abweichung von diesem Ziel eingeräumt wird, sofern eine angemessene Sicherheitsmarge zum Defizit-Referenzwert beibehalten und erwartet wird, dass die Haushaltslage im Programmzeitraum wieder zum mittelfristigen Haushaltsziel zurückkehrt, tragen der Rat und die Kommission größeren Strukturreformen Rechnung, die — auch durch Steigerung des nachhaltigen Potenzialwachstums — direkte langfristige positive Auswirkungen auf den Haushalt und mithin nachprüfbare Auswirkungen auf die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen haben.

¹³Besondere Aufmerksamkeit gilt Rentenreformen, durch die ein Mehrsäulensystem mit einer gesetzlichen, vollständig kapitalgedeckten Säule eingeführt wird. ¹⁴Mitgliedstaaten, die solche Reformen durchführen, dürfen vom Anpassungspfad in Richtung auf ihr mittelfristi-ges Haushaltsziel oder von dem Ziel selbst mit der Maßgabe abweichen, dass die Abweichung der Höhe der unmittelbaren zusätzlichen Auswirkungen der Reform auf den gesamtstaatlichen Haushaltssaldo entspricht und vorausgesetzt, eine angemessene Sicherheitsmarge zum Defizit-Referenzwert wird beibehalten.

¹⁵Der Rat und die Kommission prüfen ferner, ob das Konvergenzprogramm die Erreichung dauerhafter und echter Konvergenz sowie die engere Koordinierung der Wirtschaftspolitik erleichtert und ob die Wirtschaftspolitik des betreffenden Mitgliedstaats mit den Grundzügen der Wirtschaftspolitik und den beschäftigungspolitischen Leitlinien der Mitgliedstaaten und der Union vereinbar ist. ¹⁶Bei Mitgliedstaaten, die am WKM2 teilnehmen, prüft der Rat außerdem, ob das Konvergenzprogramm eine reibungslose Teilnahme am Wechselkursmechanismus gewährleistet.

Bei einem außergewöhnlichen Ereignis, das sich der Kontrolle des betreffenden Mitgliedstaats entzieht und erhebliche Auswirkungen auf die Lage der öffentlichen Finanzen hat, oder bei einem schweren Konjunkturabschwung im Euro-Währungsgebiet oder in der Union insgesamt kann den Mitgliedstaaten gestattet werden, vorübergehend von dem Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel gemäß Unterabsatz 3 abzuweichen, vorausgesetzt dies gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.

(2) Der Rat und die Kommission prüfen das Konvergenzprogramm innerhalb von höchstens drei Monaten nach seiner Vorlage. ²Der Rat nimmt auf Empfehlung der Kommission und nach Anhörung des Wirtschafts- und Finanzausschusses bei Bedarf eine Stellungnahme zu dem Programm an. ³Gelangt der Rat gemäß Artikel 121 AEUV zu der Auffassung, dass die Ziele und Inhalte des Programms mit besonderem Verweis auf den Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel anspruchsvoller formuliert werden sollten, fordert er den betreffenden Mitgliedstaat in seiner Stellungnahme zur Anpassung des Programms auf.

Art. 10

(1) 

Im Rahmen der multilateralen Überwachung gemäß Artikel 121 Absatz 3 AEUV überwachen der Rat und die Kommission anhand von Angaben der Mitgliedstaaten mit Ausnahmeregelung sowie von Bewertungen der Kommission und des Wirtschafts- und Finanzausschusses die Umsetzung der Konvergenzprogramme, um dabei insbesondere tatsächliche oder erwartete erhebliche Abweichungen der Haushaltslage vom mittelfristigen Haushaltsziel oder von einem angemessenen Anpassungspfad in Richtung auf dieses Ziel zu ermitteln.

Außerdem überwachen der Rat und die Kommission die Wirtschaftspolitik der nicht teilnehmenden Staaten unter Berücksichtigung der im Konvergenzprogramm vorgegebenen Ziele, um zu gewährleisten, dass deren Politik auf Stabilität und folglich auf die Vermeidung von Verzerrungen der realen Wechselkurse und von übermäßigen Schwankungen der nominalen Wechselkurse abzielt.

(2) 

Bei einer festgestellten erheblichen Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 Unterabsatz 3 dieser Verordnung richtet die Kommission zur Vermeidung eines übermäßigen Defizits eine Verwarnung gemäß Artikel 121 Absatz 4 AEUV an den betreffenden Mitgliedstaat.

²Der Rat prüft innerhalb eines Monats nach dem Zeitpunkt der Annahme der Verwarnung gemäß Unterabsatz 1 die Lage und nimmt auf der Grundlage einer Empfehlung der Kommission gemäß Artikel 121 Absatz 4 eine Empfehlung über die erforderlichen politischen Maßnahmen an. ³In der Empfehlung wird eine Frist von höchstens fünf Monaten für die Behebung der Abweichung festgelegt. Die Frist wird auf drei Monate verkürzt, wenn die Kommission in ihrer Verwarnung zu der Auffassung gelangt, dass die Lage besonders ernst ist und dringende Maßnahmen erfordert. Der Rat macht seine Empfehlung auf Vorschlag der Kommission öffentlich.

Der betreffende Mitgliedstaat erstattet dem Rat innerhalb der Frist, die der Rat in der Empfehlung gemäß Artikel 121 Absatz 4 AEUV festlegt, Bericht über die auf die Empfehlung hin ergriffenen Maßnahmen.

Ergreift der betreffende Mitgliedstaat nicht innerhalb der Frist, die in einer Empfehlung des Rates im Sinne von Unterabsatz 2 festgesetzt wurde, angemessene Maßnahmen, so empfiehlt die Kommission dem Rat unverzüglich, mit qualifizierter Mehrheit einen Beschluss mit der Feststellung anzunehmen, dass keine wirksamen Maßnahmen ergriffen wurden. Gleichzeitig kann die Kommission dem Rat vorschlagen, eine überarbeitete Empfehlung über die erforderlichen politischen Maßnahmen gemäß Artikel 121 Absatz 4 AEUV anzunehmen.

Nimmt der Rat nicht zur Empfehlung der Kommission den Beschluss an, dass keine wirksamen Maßnahmen ergriffen wurden, und unterlässt es der betreffende Mitgliedstaat weiterhin, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, so empfiehlt die Kommission einen Monat nach ihrer früheren Empfehlung dem Rat, den Beschluss anzunehmen, dass keine wirksamen Maßnahmen ergriffen wurden. ¹⁰Wird der Beschluss nicht innerhalb von zehn Tagen nach der Annahme durch die Kommission vom Rat mit einfacher Mehrheit abgelehnt, so gilt er als vom Rat angenommen. ¹¹Gleichzeitig kann die Kommission dem Rat vorschlagen, eine überarbeitete Empfehlung über die erforderlichen politischen Maßnahmen gemäß Artikel 121 Absatz 4 AEUV anzunehmen.

Bei der Abstimmung über den Beschluss über die Nichteinhaltung gemäß den Unterabsätzen 4 und 5 beschließt der Rat ohne Berücksichtigung der Stimme des den betreffenden Mitgliedstaat vertretenden Mitglieds des Rates.

Der Rat legt dem Europäischen Rat einen förmlichen Bericht über die so getroffenen Beschlüsse vor.

(3) 

Eine Abweichung von dem mittelfristigen Haushaltsziel oder von dem angemessenen Anpassungspfad in Richtung auf dieses Ziel wird auf der Grundlage einer Gesamtbewertung evaluiert, bei der der strukturelle Haushaltssaldo als Referenz dient, einschließlich einer Analyse der Ausgaben ohne Anrechnung diskretionärer einnahmenseitiger Maßnahmen, wie in Artikel 9 Absatz 1 festgelegt.

Für die Bewertung, ob die Abweichung erheblich ist, werden insbesondere folgende Kriterien herangezogen:

a)
Bei Mitgliedstaaten, die das mittelfristige Haushaltsziel nicht erreicht haben, bei der Beurteilung der Veränderung des strukturellen Haushaltssaldos, ob die Abweichung in einem Jahr mindestens 0,5 % des BIP oder in zwei aufeinanderfolgenden Jahren im Durchschnitt mindestens 0,25 % des BIP jährlich beträgt;
b)
bei der Beurteilung der Ausgabenentwicklung ohne Anrechnung diskretionärer einnahmenseitiger Maßnahmen, ob die Abweichung eine Gesamtauswirkung auf den Haushaltssaldo von mindestens 0,5 % des BIP in einem Jahr oder kumulativ in zwei aufeinanderfolgenden Jahren hat.

Die Abweichung der Ausgabenentwicklung gilt nicht als erheblich, wenn der betreffende Mitgliedstaat sein mittelfristiges Haushaltsziel übertroffen hat, wobei der Möglichkeit erheblicher unerwarteter Mehreinnahmen Rechnung getragen wird, und wenn die im Konvergenzprogramm dargelegten Haushaltspläne dieses Ziel im Programmzeitraum nicht gefährden.

Ebenfalls unberücksichtigt bleiben kann eine solche Abweichung bei einem außergewöhnlichen Ereignis, das sich der Kontrolle des betreffenden Mitgliedstaats entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt, oder bei einem schweren Konjunkturabschwung im Euro-Währungsgebiet oder in der Union insgesamt, vorausgesetzt dies gefährdet nicht die mittelfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.



ABSCHNITT 3A: PRINZIP DER UNABHÄNGIGKEIT DER STATISTISCHEN STELLEN

Art. 10a

Um sicherzustellen, dass die multilaterale Überwachung auf der Grundlage fundierter und unabhängiger Statistiken erfolgt, gewährleisten die Mitgliedstaaten die fachliche Unabhängigkeit der einzelstaatlichen statistischen Stellen, die mit dem in der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über europäischen Statistiken  festgelegten Verhaltenskodex für europäische Statistiken im Einklang stehen. ²Dies erfordert mindestens

a)
transparente Einstellungs- und Entlassungsprozesse, die ausschließlich auf fachlichen Kriterien beruhen;
b)
die Zuweisung von Haushaltsmitteln auf jährlicher oder mehrjährlicher Grundlage;
c)
das Datum der Veröffentlichung zentraler statistischer Informationen, das rechtzeitig im Voraus zu bestimmen ist.



ABSCHNITT 4: GEMEINSAME BESTIMMUNGEN

Art. -11

(1) Die Kommission gewährleistet gemäß den Zielen dieser Verordnung einen ständigen Dialog mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. ²Zu diesem Zweck führt die Kommission insbesondere Missionen zum Zwecke der Bewertung der wirtschaftlichen Lage in dem Mitgliedstaat und der Ermittlung von Risiken oder Schwierigkeiten bei der Verwirklichung der Ziele dieser Verordnung durch.

(2) Die Kommission kann zum Zwecke der Überwachung vor Ort Missionen verstärkter Überwachung für Mitgliedstaaten durchführen, die Gegenstand von Empfehlungen gemäß Artikel 6 Absatz 2 oder Artikel 10 Absatz 2 AEUV sind. ²Die betreffenden Mitgliedstaaten stellen sämtliche Informationen zur Verfügung, die zur Vorbereitung und Durchführung solcher Missionen erforderlich sind.

(3) Handelt es sich bei dem betroffenen Mitgliedstaat um einen teilnehmenden Mitgliedstaat oder um einen Mitgliedstaat, der am WKM2 teilnimmt, kann die Kommission gegebenenfalls Vertreter der Europäischen Zentralbank einladen, an den Überwachungsmissionen teilzunehmen.

(4) Die Kommission erstattet dem Rat über das Ergebnis der Missionen gemäß Absatz 2 Bericht und kann gegebenenfalls beschließen, ihre Befunde öffentlich zu machen.

(5) 

Bei der organisatorischen Vorbereitung der Missionen gemäß Absatz 2 übermittelt die Kommission den betreffenden Mitgliedstaaten ihre vorläufigen Befunde, damit diese Anmerkungen dazu formulieren können.

Art. 11

Im Rahmen der multilateralen Überwachung nach dieser Verordnung nimmt der Rat die Gesamtbewertung nach  Artikel 121 Absatz 3 AEUV vor.

Art. 12

Gemäß  Artikel 121 Absatz 4 Unterabsatz 2 AEUV nehmen der Präsident des Rates und die Kommission die Ergebnisse der nach dieser Verordnung durchgeführten multilateralen Überwachung in ihre Berichte an das Europäische Parlament auf.

Art. 12a

(1) 

Bis vom 14. Dezember 2014 und danach alle fünf Jahre veröffentlicht die Kommission einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung.

In diesem Bericht wird unter anderem Folgendes bewertet:

a)
die Wirksamkeit dieser Verordnung, insbesondere ob sich die Bestimmungen über die Beschlussfassung als ausreichend robust erwiesen haben;
b)
die Fortschritte bei der Gewährleistung einer engeren Koordinierung der Wirtschaftspolitik und einer dauerhaften Konvergenz der Wirtschaftsleistungen der Mitgliedstaaten entsprechend dem AEUV.

(2) Dem Bericht wird gegebenenfalls ein Vorschlag zur Änderung dieser Verordnung, einschließlich der Bestimmungen über die Beschlussfassung, beigefügt.

(3) 

Der Bericht wird dem Europäischen Parlament und dem Rat übermittelt.

Art. 13

Diese Verordnung tritt am 1. Juli 1998 in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.


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